Tauschgeschäfte zwischen Bund und Land sind eher die Regel. Aber in Sachen Steuerabkommen mit der Schweiz widersteht Grün-Rot den Lockungen des Bundesfinanzministers.

Stuttgart - Das war schon starker Tobak, den die FDP-Landesvorsitzende Birgit Homburger bei ihrer Parteitagsrede am Wochenende den Ministerpräsidenten reichte. Als „moderne Wegelagerer“ kanzelte sie die Länderfürsten ab, von einer „Erpresserbande“ sprach sie, „Raubritter“, die im Bundesrat „die Hand aufhielten“.

 

Da brach der Zorn einer Bundespolitikerin durch, die seit vielen Jahren und aus nächster Nähe die Verhandlungen zwischen Bundesregierung und Bundesrat – kulminierend in den politischen Pokerrunden des Vermittlungsausschusses – beobachtet. Auf 63 Milliarden Euro beziffert die Bundestagsabgeordnete allein die Summe, welche die Länder dem Bund für den Zeitraum von 2010 bis 2016 abgehandelt hätten. Unter anderem bei der Finanzierung der Grundsicherung und beim Fiskalpakt. Und immer nach dem Muster: „Wenn der Bund nicht zahlt, dann verweigern wir in der Länderkammer unsere Zustimmung.“

Die dunkle Seite des Föderalismus

Für Homburger ist das die dunkle Seite des Föderalismus. Dass sich indes auch die jeweiligen Bundesregierungen ihren politischen Vorteil zu sichern wissen, steht auf einem anderen Blatt. So erkaufte sich der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) zusammen mit seinem Finanzminister Hans Eichel (SPD) im Jahr 2000 seine Steuerreform unter anderem mit einem extra Batzen Geld für die Sanierung der Berliner Museumsinsel. Der CDU-Mann Eberhard Diepgen, damals Regierender Bürgermeister, schlug in das Angebot Schröders ein, verscherzte es sich damit aber bei seiner frisch gekürten Parteichefin Angela Merkel. Schröder und seine rot-grüne Bundesregierung konnten einen schönen Erfolg erzielen, doch auch die Museumsinsel, eines der bedeutendsten Ausstellungsensembles der Welt, profitierte. Jeder Berlinbesucher kann das inzwischen sehen.

Auch die aktuelle Bundesregierung kennt diese Masche. Ende der vergangenen Woche wurde ruchbar, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wolle unbedingt das Steuerabkommen mit der Schweiz retten. Deshalb verzichte er auf den Anteil des Bundes an dem Ablassbetrag, der aus der Schweiz in Form einer einmaligen Abgeltung für entgangene Steuereinnahmen in Deutschland überwiesen werden soll. Schäuble beziffert die Gesamtsumme auf insgesamt zehn Milliarden Euro. Bisher sollten die Länder 70 Prozent davon erhalten, dem Bund verblieben 30 Prozent. Stimmen Schäubles Angaben, erhielten die Länder also drei Milliarden Euro zusätzlich zu den bereits vereinbarten sieben Milliarden Euro. Ließen sich die Ministerpräsidenten auf Schäubles Deal ein, könnte der Bundesfinanzminister einen politischen Erfolg verbuchen. Im Vorfeld der Bundestagswahl 2013 hätte er die Länderfront gesprengt.

Schäubles Schwiegersohn Thomas Strobl, der CDU-Landeschef, sekundierte denn auch: „Bei der immer wieder genannten Zahl von zehn Milliarden Euro stünden Baden-Württemberg auf einen Schlag über eine Milliarde Euro zu. Das wäre ein Riesen-Beitrag für die Haushaltskonsolidierung. Dass der Finanzminister lieber Schulden in Milliardenhöhe macht, ist ein Skandal.“

Doch die grün-rote Landesregierung in Stuttgart bleibt bei ihrem Kurs. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) nannte am Dienstag die genannte Abgeltungssumme von zehn Milliarden Euro „durch nichts unterlegt und rein spekulativ“. Die Landesregierung werde „nach Lage der Dinge“ dem Abkommen am kommenden Freitag im Bundesrat in Berlin nicht zustimmen. „Für einen Kuhhandel bin ich nicht empfänglich“, sagte Kretschmann. Birgit Homburgers Parteitagsattacke kommentierte er mit den Worten: „Mir stellt sich die Frage, ob sich der Ministerpräsident von Baden-Württemberg zum Verbalradikalismus der FDP äußern soll.“

Auch das Stuttgarter Finanzministerium zweifelt die Zahlen Schäubles an. Die vom Bundesfinanzministerium erwarteten Einnahmen entbehrten jeglicher Grundlage, heißt es aus dem Hause von Nils Schmid (SPD). Die einzig verlässliche Größe sei im Moment die – das Inkrafttreten des Abkommens unterstellt – Anfang 2013 zu leistende Garantiezahlung der Schweizer Banken in Höhen von zwei Milliarden Franken. Der Anteil Baden-Württembergs würde sich dabei auf etwa 270 Millionen Euro belaufen – 230 Millionen Euro für das Land, 40 Millionen Euro für die Kommunen.