Die Regeln für Selbstanzeigen werden von 2015 an verschärft. Diese Drohung zeitigt auch in den Finanzämtern der Region Stuttgart Wirkung. Die Zahl der Selbstanzeigen steigt massiv.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Wegen der schärferen Regeln für die Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung, die vom kommenden Jahr an geltenden sollen, ist auch in der Region Stuttgart die Zahl der Fälle nochmals deutlich gestiegen. Seit 2010 bis Jahresbeginn waren bei der Stuttgarter Finanzverwaltung 2150 Selbstanzeigen eingegangen, nun sind es 3349, das entspricht einem Plus von 55 Prozent. In dem für Stuttgart und große Teile der Region zuständigen Finanzamt II sind bisher 198 Millionen Euro „nacherklärte Erträge“ angegeben worden.

 

Auf Landesebene in diesem Jahr bisher 25 000 Anzeigen

In diesem Jahr sind bei den Finanzämtern bundesweit rund 32 000 Selbstanzeigen eingegangen, so viele wie noch nie. An der Spitze dieser Enwicklung steht Baden-Württemberg, wo bis vor wenigen Tagen 25 256 Selbstanzeigen eingegangen waren. Hier liegt die Zunahme gegenüber dem Jahresbeginn bei 44 Prozent.

In elf Finanzämtern des Landes werden diese Selbstanzeigen in Straf- und Bußgeldstellen regional gebündelt. Bei diesen seien bisher insgesamt 2,052 Milliarden Euro an Erträgen nachträglich angegeben worden, sagt Sabrina Müller, Pressesprecherin der Oberfinanzdirektion in Karlsruhe. Vergleicht man die Zahlen der zuständigen Finanzämter, deren Einzugsgebiete allerdings zum Teil recht unterschiedliche Größen haben, dann zeigt sich jedenfalls: der Bereich des Finanzamts Stuttgart II, das die Landeshauptstadt sowie die Gebiete des Landkreises Esslingen, Bietigheim-Bissingen, Leonberg und Ludwigsburg umfasst, weist weder die höchsten Fallzahlen noch die höchste hinterzogene Summe auf.

Viele Fälle in Südbaden – wegen Nähe zur Schweiz

So hat man im Finanzamt Freiburg-Land mit Lahr, Lörrach, Emmendingen, Müllheim und Offenburg seit 2010, als die erste Steuer-CD erworben wurde, bisher 3844 Selbstanzeigen von Steuerhinterziehern mit einer angegebenen Summe von 259 Millionen Euro registriert. Eine Erklärung dafür sei in diesem Fall „die Nähe zur Schweiz“, sagt Sabrina Müller.

Und nimmt man die hinterzogene Ertragssumme pro Fall zum Maßstab, die im Finanzamt Stuttgart II bei rund 59 000 Euro liegt, bringen es einige andere Regionen im Land auf deutlich höhere Werte. So kommt etwa die Straf- und Bußgeldstelle des Finanzamts Pforzheim, das auch für Calw, Freudenstadt und Mühlacker zuständig ist, bei 1163 Selbstanzeigen auf 135 Millionen Euro bisher nicht angegebene Erträge, das sind rund 116 000 Euro pro Fall. Mit knapp 106 000 Euro pro Fall (insgesamt 2919 bei 316 Millionen Euro, die erst nachträglich angegeben worden sind) ist dieser Wert in Mannheim, das auch für Heidelberg und Schwetzingen zuständig ist, ähnlich hoch.

Zahlen für Stuttgart nennt Finanzverwaltung nicht

Zahlen für die Landeshauptstadt Stuttgart oder für andere einzelne Kommunen gibt die Finanzverwaltung nicht bekannt. Klaus Siebrand, der Leiter des zuständigen Finanzamts II, sagt nur so viel: es handele sich fast ausschließlich um Gelder, die die betreffenden Bürger in der Schweiz oder in Liechtenstein angelegt hatten, in nur 25 Fällen gehe es um Anlagen in Österreich. Die Selbstanzeigen seien bisher in aller Regel vollständig, diese würden auch „in 99 Prozent der Fälle mit fachlicher Beratung erstellt“, sagt Siebrand.

Dabei macht der Amtsleiter klar, dass es sich bei den Selbstanzeigern keineswegs nur um Superreiche handele, große Fälle mit einem Umfang wie beim ehemaligen Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß seien jedenfalls nicht dabei. „Darunter sind auch Normalverdiener oder kleine Unternehmer, die sich im Ausland ein Sicherheitspolster für Notzeiten angelegt haben“, so Siebrand. Mitunter würden auch nicht nur hinterzogene Kapitalerträge, erzielt aus versteuerten Einkünften, nachträglich erklärt werden, sondern auch „Schwarzgeld aus unversteuerten Betriebseinnahmen“, erzählt der Finanzamtsleiter. „Das ist eine doppelte Hinterziehung und wird besonders teuer.“ Welche Steuereinnahmen der Staat aus den 198 Millionen Euro erzielen werde, lasse sich aber noch nicht sagen.

Steuerhinterziehungsfälle in Verwaltung zentralisiert

Auf jeden Fall wirke sich die Bearbeitung der Selbstanzeigen nicht auf die der übrigen Steuererklärungen aus, versichert der Amtsleiter. Um hier Verzögerungen zu vermeiden, haben man die Bearbeitung der Steuerhinterziehungsfälle zentralisiert.

Dass es gegenwärtig im Finanzamt I, wo die Arbeitnehmerverlagung angesiedelt ist, zu Bearbeitungszeiten von vier bis fünf Monaten kommt, hat ihren Grund in Personalengpässen, wie sie dort nicht zum ersten Mal vorkommen. Derzeit würden Erklärungen bearbeitet, die im Juni eingereicht wurden, sagt Jürgen Lieven, der das Finanzamt I leitet. Und er räumt ein: „Das ist noch nicht ganz befriedigend, aber die größten Rückstände haben wir erledigt.“