Die Region Stuttgart diskutiert über die Idee, Flächenzetrifikate für die Kommunen zu vergeben. Das soll das Flächenwachstum steuern.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)
Stuttgart - Armin Serwani, Regionalrat der Liberalen, zieht sich immer warm an, wenn er zu Veranstaltungen in die Region hinausfährt - und das hat nicht nur mit dem nahenden Winter zu tun: "Wir stellen draußen einen zunehmenden Unmut fest", sagte Serwani vor kurzem in der Regionalversammlung: "Es ist von Bevormundung und Überreglementierung die Rede. In Geislingen hat man gar die Abschaffung des Regionalverbandes gefordert. "Was viele Kommunalpolitiker auf die Palme bringt, sind die restriktiven Vorgaben des Verbandes Region Stuttgart (VRS) bei der Ausweisung von Baugebieten und Gewerbeflächen. Grob lautet die Regel des Regionalplanes: jede Gemeinde darf nur für die Eigenentwicklung Flächen ausweisen. Lediglich entlang einiger definierter Achsen - die meist dem Verlauf der großen Bundesstraßen entsprechen - dürfen sich die Siedlungen stärker ausbreiten. Damit will der VRS den Flächenfraß eindämmen, denn schon jetzt wohnen 748 Menschen in der Region auf einem Quadratkilometer - landesweit sind es 148. Dieses Flächenmanagement des VRS ist aber ein starker Eingriff in die kommunale Planungshoheit.

Und so kommt es immer wieder zu Konflikten. Jüngstes Beispiel ist der westliche Kreis Ludwigsburg: Die Gemeinden Vaihingen/Enz, Eberdingen, Sersheim und Oberriexingen haben einen Flächenbedarf von 94 Hektar bis 2020 angemeldet - die Region billigt ihnen aber nur 23 Hektar zu. Der Technische Direktor des VRS, Thomas Kiwitt, hat den Gemeinden sogar handwerklich schlechte Arbeit vorgeworfen.

Wettbewerb der Regionen


Besonders heftig brechen die Auseinandersetzungen um den Flächenverbrauch an den Randgebieten auf. Die Region Heilbronn-Franken (4764 Quadratkilometer, 883.000 Einwohner) setzt auf starkes Wachstum - die kleinere und einwohnerstärkere Region Stuttgart (3654 Quadratkilometer, 2,7 Millionen Einwohner) fährt einen rigiden Kurs. So kommt es, dass Neckarwestheim (Kreis Heilbronn) Neubürger und Investoren mit großen Baugebieten und niedrigen Preisen lockt. Die Nachbargemeinde Kirchheim (Kreis Ludwigsburg) fürchtet dagegen ein Ausbluten.

In dieser angespannten Situation hat die FDP nun eine neue Idee ins Spiel gebracht: Warum, sagen die Liberalen, soll man mit bebaubaren Flächen nicht Handel treiben können, vergleichbar mit dem Handel von Kohlendioxid-Emissionsrechten? Das Grundprinzip wäre: zu Beginn einer Periode wird definiert, welche Gemeinde wie viel Flächen verbrauchen darf - wer weniger braucht, kann seine "Bodenrechte" verkaufen. Ökologisch oder landwirtschaftlich wertvolle Flächen blieben weiter von der Bebauung ausgenommen.

Handel nur mit Kontrolle


Auf die Idee gekommen waren die Liberalen durch einen Bericht des Nachhaltigkeitsbeirats, der die Landesregierung berät. Dieses Gremium hatte vor wenigen Wochen einen Testlauf mit 50 bis 100 Gemeinden in Baden-Württemberg angeregt (wir berichteten). Mit einer solchen Flächenbörse könnte das Land oder die Region die maximal bebaubare Fläche vorgeben - und die Kommunen würden bestehende Bauflächen und Brachen intensiver nutzen, weil jeder Zukauf ins Geld geht. Auch das Umweltbundesamt sieht in den Zertifikaten eine "potenziell hohe Steuerungswirkung".

Dennoch gibt es Vorbehalte. Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) hat bereits eine gewisse Skepsis durchblicken lassen, weil beispielsweise der bürokratische Aufwand hoch sei. Der Städtetag lehnt selbst einen Modellversuch kategorisch ab. "Unser Stoppschild bleibt auch für die Region Stuttgart stehen", sagt Manfred Stehle, der Sprecher des baden-württembergischen Städtetags. VRS-Direktor Thomas Kiwitt hätte gegen eine vertiefende Prüfung nichts einzuwenden. Allerdings hält er gar nichts davon, den Flächenverbrauch allein dem freien Markt zu überlassen - ein solcher Handel könne nur im Rahmen des geltenden Regionalplans erfolgen.

Das bedeutet: Gemeinden, die nur für die Eigenentwicklung wachsen sollen, dürften nicht plötzlich unkontrolliert Zertifikate kaufen. Beispielsweise für Nachbargemeinden könne eine Börse aber durchaus ein Instrument sein, um nachzujustieren. In der Sache ist Kiwitt damit nicht weit von den Liberalen entfernt. Auch FDP-Regionalrat Kai Buschmann sagt: "Es muss ein guter Mix aus Planungsrecht und Zertifikatshandel sein - man müsste wohl vorab Teilräume in der Region definieren, innerhalb derer Handel möglich ist." Am 10. November diskutiert der Planungsausschuss des VRS über das Thema.