Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Es ist weit mehr als das: Die Sicherheitslage auf dem Land wird schlechter, und die Polizeibeamten werden schleichend entmutigt. Das ist der sich zuziehende Knoten, den ernsthaft niemand ableugnen kann und den diese Landesregierung mit ihrer Polizeireform lösen will. Dumm dabei: das Land braucht mehr Polizisten, ohne das Geld dafür zu haben.

 

2004 arbeiteten beim Revier Laupheim noch 44 Beamte und Angestellte. Heute sind es 35, 13 davon im Tagdienst. Der Altersdurchschnitt ist auf 46,5 Jahre gestiegen. Kleine Reviere wie Laupheim sind eine klassische Enddienststelle, das heißt, die Alterung wird weitergehen. Kollegen, die in größeren Dienststellen zum Ende der Laufbahn ins ruhigere Fahrwasser der Verwaltung wechseln, müssen auf dem Land noch in der Nachtschicht ran, müssen sich, oft zu zweit, auf Parkplätzen randalierenden und betrunkenen Discobesuchern stellen oder prügelnden Ehemännern in engen Hausfluren.

Wie soll eine Polizei, die Anzeigesteller vertröstet, wenn gerade ein Verkehrsunfall passiert ist, die alle Präventionsarbeit fahren lässt und Verkehrskontrollen kaum noch organisiert bekommt, gegen die Herausforderungen der Zukunft bestehen? Gegen die Cyberkriminellen im Internet? Die organisierte Bandenkriminalität? Wie sollen sich überlastete Beamte gewaltbereiten Fußballfans, politisch motivierten Kriminellen oder rückfallgefährdeten Sexualstraftätern in den Weg stellen?

Ab und zu ziehen Gerhard Schilling, der passionierte Marathonläufer, und sein Kollege Rößler in der Mittagspause die Laufschuhe an. Sie finden, körperliche Fitness gehöre zwingend zum Polizeiberuf. So im Schwitzen haben sie das Eckpunktepapier zur Polizeireform, das 650 zusätzliche Stellen im Polizeivollzugsdienst verspricht, debattiert. Es müsse sich einfach etwas ändern, sagt Schilling. „Es kämpft doch jeder im 24-Stunden-Dienst ums Überleben.“

Irgendwann kommt die Eigeninitiative zum Erliegen

Erfahrene Marathonläufer haben ihre Zähigkeit trainiert, sie wissen, dass Zwischenspurts wenig bringen und kennen sich aus mit dem Gefühl, das sich ankündigt, kurz bevor alle Kräfte überreizt sind. Diesen Moment vor dem Zusammenbruch fühlt Schilling kommen. Im Durchschnitt ist jeder seiner Kollegen drei Wochen pro Jahr krank. „Vor wenigen Jahren waren es laut unserer Statistik noch fünf Krankheitstage.“ Zwei Kollegen sind langzeiterkrankt. Die Revierleitung selber muss immer wieder zur Aushilfe in den Streifenwagen steigen. Rößler sagt: „Man will immer. Und wenn man nicht kann, dann belastet einen das. Das ist Stress.“ Irgendwann bewege sich „die Eigeninitiative gegen null.“

„Problematisch sind die Ad-hoc-Vorkommnisse“, sagt Schilling. Vergangene Woche zum Beispiel: da wurde eine alte Frau tot in ihrem Haus aufgefunden. Die Tür war von innen zugesperrt, schweres Gerät und Atemschutzausrüstung musste vor dem Eindringen beschafft werden. Von 9 bis 14 Uhr habe der Einsatz gedauert, erzählt der Revierleiter. „Wenn dann noch ein Unfall dazukommt, wird es schon kritisch. Dann ist das Haus hier leer.“ Wie vor einigen Wochen, als es auf der Bundesstraße 30 schon wieder krachte.

Die Außenstelle ist geschlossen, Anzeigen gehen deshalb zurück

Früher war nicht alles besser, aber vieles. Die Laupheimer Polizei pendelte innerhalb ihres 250 Quadratkilometer großen Revierbereichs zwar nicht wie heute in geleasten E-Klasse-Limousinen von Achstetten nach Burgrieden oder von Mietingen nach Schemmerhofen, aber dafür winkten bis vor fünf Jahren die Besucher des Laupheimer Heimatfestes den 25 Beamten zu, die für die Verkehrslenkung abgestellt waren. Und in der Gemeinde Schwendi hielten in einer eigenen Wache drei Kollegen die Stellung, verkürzten Einsatzwege, prägten sich Gesichter ein, waren ein helfender Teil des Alltagslebens.

Alles Folklore von gestern. Die Wache ist wegrationalisiert, die Zahl der Anzeigen ging seither zurück und damit – ein Irrwitz der Statistik – das Kriminalitätsaufkommen. Die Polizisten beim Heimatfest sind durch Halteverbotsschilder ersetzt worden. „Das ist auch ein kultureller Bruch“, bedauert Guntram Rößler, 40-jähriger Stellvertreter Schillings.

Mehr Polizisten dürfen nicht mehr Geld kosten

Es ist weit mehr als das: Die Sicherheitslage auf dem Land wird schlechter, und die Polizeibeamten werden schleichend entmutigt. Das ist der sich zuziehende Knoten, den ernsthaft niemand ableugnen kann und den diese Landesregierung mit ihrer Polizeireform lösen will. Dumm dabei: das Land braucht mehr Polizisten, ohne das Geld dafür zu haben.

2004 arbeiteten beim Revier Laupheim noch 44 Beamte und Angestellte. Heute sind es 35, 13 davon im Tagdienst. Der Altersdurchschnitt ist auf 46,5 Jahre gestiegen. Kleine Reviere wie Laupheim sind eine klassische Enddienststelle, das heißt, die Alterung wird weitergehen. Kollegen, die in größeren Dienststellen zum Ende der Laufbahn ins ruhigere Fahrwasser der Verwaltung wechseln, müssen auf dem Land noch in der Nachtschicht ran, müssen sich, oft zu zweit, auf Parkplätzen randalierenden und betrunkenen Discobesuchern stellen oder prügelnden Ehemännern in engen Hausfluren.

Wie soll eine Polizei, die Anzeigesteller vertröstet, wenn gerade ein Verkehrsunfall passiert ist, die alle Präventionsarbeit fahren lässt und Verkehrskontrollen kaum noch organisiert bekommt, gegen die Herausforderungen der Zukunft bestehen? Gegen die Cyberkriminellen im Internet? Die organisierte Bandenkriminalität? Wie sollen sich überlastete Beamte gewaltbereiten Fußballfans, politisch motivierten Kriminellen oder rückfallgefährdeten Sexualstraftätern in den Weg stellen?

Ab und zu ziehen Gerhard Schilling, der passionierte Marathonläufer, und sein Kollege Rößler in der Mittagspause die Laufschuhe an. Sie finden, körperliche Fitness gehöre zwingend zum Polizeiberuf. So im Schwitzen haben sie das Eckpunktepapier zur Polizeireform, das 650 zusätzliche Stellen im Polizeivollzugsdienst verspricht, debattiert. Es müsse sich einfach etwas ändern, sagt Schilling. „Es kämpft doch jeder im 24-Stunden-Dienst ums Überleben.“

Irgendwann kommt die Eigeninitiative zum Erliegen

Erfahrene Marathonläufer haben ihre Zähigkeit trainiert, sie wissen, dass Zwischenspurts wenig bringen und kennen sich aus mit dem Gefühl, das sich ankündigt, kurz bevor alle Kräfte überreizt sind. Diesen Moment vor dem Zusammenbruch fühlt Schilling kommen. Im Durchschnitt ist jeder seiner Kollegen drei Wochen pro Jahr krank. „Vor wenigen Jahren waren es laut unserer Statistik noch fünf Krankheitstage.“ Zwei Kollegen sind langzeiterkrankt. Die Revierleitung selber muss immer wieder zur Aushilfe in den Streifenwagen steigen. Rößler sagt: „Man will immer. Und wenn man nicht kann, dann belastet einen das. Das ist Stress.“ Irgendwann bewege sich „die Eigeninitiative gegen null.“

Damit sich das ändert, sehnen die beiden Laupheimer Polizeihauptkommissare diese Polizeireform herbei, die rechnerisch jedem Revier zwei zusätzliche Streifenkräfte verspricht. Welche Partei die Hilfe bringt, ist ihnen egal, sagt Gerhard Schilling. Seine Einschätzung ist unverrückbar: „Wenn man die Reform nicht machen würde, wären wir in fünf Jahren an der Wand.“

Schon komisch, wie frohgemut das aus dem Mund des durchtrainierten Revierleiters klingt. So manches ist eben nicht, wie es scheint in der baden-württembergischen Polizei. Auf der Bundesstraße 30 bleibt heute alles ruhig.