Die beiden Unionsparteien finden wieder zueinander. Nur einer singt falsch: CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer.

München - Eine „Mäßigung der Sprache“ hat Kanzlerin Angela Merkel vor zwei Wochen im Bundestag von ihren Mitpolitikern verlangt. Und auch wenn sich die bayerische Schwesterpartei angesprochen fühlte, für besserungspflichtig hielt man sich in München nicht: „Seit wann ist klare Formulierung in der Politik mäßigungsbedürftig?“, fragte CSU-Chef Horst Seehofer zurück.

 

Nun aber, nach endlosem Schlagabtausch, kommen aus der CSU verblüffend leise Töne, auch wenn „sie“ – an allem soll ja Merkel mit ihrer Flüchtlingspolitik schuld sein – in Berlin schon wieder eine Wahl verloren hat. Die CDU-Chefin ihrerseits hat einen Satz gesagt, auf den die CSU gewartet hat. Das klang entspannend. Nur noch einer schießt sprachlich daneben. Aber vielleicht hat er, CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer, die Zeichen der Zeit nicht erkannt: Sie stehen auf Wiederannäherung der Unions-Schwestern.

Der Generalsekretär provoziert

Scheuer, 42 Jahre jung, ist nicht zum ersten Mal mit Formulierungen aufgefallen, die man eher in der AfD vermuten würde. So sprach er zum Beispiel von „Integrationsromantik“, und als ihm eine Fernsehmoderatorin aus dem Grundgesetz vorlas: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“, da antwortete Scheuer: „Das ist Ihre Meinung.“ Mit seiner bisher letzten Äußerung aber hat Scheuer auch in der eigenen Partei einen Proteststurm ausgelöst; SPD und Grüne fordern Seehofer auf, den „General“ zu entlassen, und katholische wie protestantische Bischöfe verurteilen Scheuers Sätze so heftig, wie sie schon lange keine politische Äußerung mehr verurteilt haben.

Scheuer hatte sich vor Regensburger Journalisten in Rage geredet, gegen Asylbewerber wieder einmal, und er hatte gesagt: „Das Schlimmste ist ein fußballspielender, ministrierender Senegalese. Der ist drei Jahre hier – als Wirtschaftsflüchtling. Den wirst du nie wieder abschieben.“ Oder, nach anderer Version: „Den kriegst du nie wieder los.“

Scheuer betrachte Asylbewerber hauptsächlich unter dem Aspekt, wie man sie loswerde, protestieren Politiker; der Sozialdienst katholischer Frauen in Bayern spricht von einem „Angriff auf jegliche Integrationsbemühungen – insbesondere der Kirche, der Fußballverbände und aller ehrenamtlichen Helfer.“ Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Bischof Heinrich Bedford-Strohm sagt: „So redet man nicht über Menschen.“ Und CSU-Politiker warnen davor, das christliche Stammpublikum der Partei in Bayern zu vergraulen.

CSU fürchtet um ihre Stammwähler

Anders als nach Merkels Mäßigungs-Mahnung konnte da selbst ein Horst Seehofer nicht mehr behaupten, in der CSU sei man „sehr verantwortlich mit der Sprache“. Er versuchte, die Affäre Scheuer als „Missverständnis“ darzustellen und fügte hinzu, er habe „kein Interesse, dass eine Verschärfung der Diskussion stattfindet.“

In der Tat: Zu Beginn ihrer Fraktionsklausur im oberfränkischen Kloster Banz zeigte die CSU ein klares Interesse an neuen Tönen, vor allem gegenüber der Schwesterpartei. Denn auch wenn Merkel auf Seehofers Forderung nach einer Obergrenze von 200 000 Flüchtlingen selbst nach dem Wahldebakel in Berlin nicht eingeschwenkt ist – alle anderen Wünsche hat die CSU ja mittlerweile erfüllt bekommen –, so sprach sie doch den entscheidenden Satz, den ihr die Bayern praktisch ins Manuskript diktiert hatten. „Merkel müsste nur sagen, ein unkontrollierter Flüchtlings-Zustrom werde sich niemals wiederholen“, meinte neulich einer aus dem CSU-Vorstand: „Dann wäre Frieden.“ Und was sagt Merkel am Montag nach der Berlin-Wahl? Sie sagt: Wenn die Menschen wollten, dass sich die Zustände von 2015 nicht wiederholen dürften, „mit einem in Teilen zunächst unkontrollierten und unregistrierten Zuzug, dann kämpfe ich genau dafür, dass sich das nicht wiederholt.“

Obergrenze oder Richtwert?

Sieh an. Auf einmal weicht denn auch die CSU ihre Forderung nach einer Flüchtlings-Obergrenze auf. Vorerst tut das zwar nur die immer dialogbereite Chefin der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt. Aber ohne Rücksprache mit Seehofer hätte sie wohl auch nicht sagen dürfen, dass es sich bei der bisher so verbissen eingeforderten Zahl 200 000 „um eine Richtgröße, eine Orientierungsgröße“ handle. Hasselfeldt deutete gar an, in einem Unionskompromiss müsse die Zahl gar nicht formuliert sein. Es gehe lediglich um eine „Größenordnung, die Deutschland aller Erfahrung nach verkraften könnte“, sagte Hasselfeldt.

So wahren beide ihr Gesicht: die CSU und die Kanzlerin. Bleibt einer übrig: Andreas Scheuer. Der hat jetzt gesagt, die Regensburger Journalisten hätten eine „klar angezeigte sprachliche Überspitzung“ nicht als solche erkannt; auf jeden Fall aber wolle er persönlich reden mit Leuten, „die das anders verstanden haben.“ Aha. Kann es sein, dass in der Zeit der neuen Töne nun einer Angst hat um seinen Posten?