Finanzminister Nils Schmid (SPD) hat sich durchgesetzt: Das Land nimmt 2016 keine neuen Schulden auf. Doch Ministerpräsident Winfried Kretschmann ist seinem Vize noch immer gram. Er fühlt sich übertölpelt.

Stuttgart - Winfried Kretschmann sah schon glücklicher aus bei Pressekonferenzen als an diesem Mittwochmittag. Seite an Seite mit seinem Vize Nils Schmid war der Ministerpräsident vom Interimsgebäude des Landtags hinüber zum Neuen Schloss geschritten, wo die beiden die Einigung im Haushaltsstreit verkünden wollten. Dort angekommen, umgeben von Marmorsäulen und Stuckdecken, überbrachte Kretschmann die gute Nachricht, zu der seine angespannte Miene jedoch nicht recht passen wollte.

 

Angesichts der erfreulichen Kassenlage will die grün-rote Landesregierung bereits 2016 auf neue Schulden verzichten, nicht erst 2020, wie es der nun überarbeitungsbedürftige Finanzplan der Koalition vorsieht. Schon im kommenden Jahr soll die Neuverschuldung um 300 Millionen abgesenkt werden. Bisher waren für 2015 neue Kredite in Höhe von einer Milliarde Euro eingeplant. Nun werden es etwa 700 Millionen Euro sein. Nach der Nullnummer 2016 soll es auch in den nachfolgenden Jahren Landeshaushalte ohne Nettoneuverschuldung geben. Dazu bedarf es laut Finanzminister Schmid indes verstärkter Sparanstrengungen und einer weiterhin guten Wirtschaftslage. Vom Jahr 2020 an ist die Nullverschuldung Pflicht. Dann dürfen sich die Bundesländer nach den Vorgaben der Schuldenbremse im Grundgesetz nur noch in Notzeiten am Kreditmarkt bedienen. Um dieses Ziel zu erreichen, hatte die grün-rote Koalition einen Finanzplan vorgelegt mit dem Ziel, den Etat strukturell so auszurichten, dass dauerhaft auf neue Schulden verzichtet werden kann.

Hartnäckiges Abwehrverhalten

Dem Auftritt Kretschmanns und Schmids war ein mehr als vierwöchiger Koalitionsstreit vorausgegangen. Schmid hatte nach seiner Darstellung am Vortag einer Kabinettsklausur die Koalitionsspitze mit den Haushaltszahlen vertraut gemacht, dann dem Ministerrat vorgeschlagen, 2016 auf neue Schulden zu verzichten. Der Finanzminister verwies auf eine Liquiditätsreserve in Höhe von 3,2 Milliarden Euro im Landeshaushalt. Das Land könne die Nullverschuldung stemmen, ohne auf notwendige Investitionen etwa in Hochschulen oder für die Straßen zu verzichten.

Der Vorstoß löste bei den Grünen bis hin zu Regierungschef Kretschmann überraschend ein hartnäckiges Abwehrverhalten aus. Kretschmann konterte, es mache einen Unterschied, ob die Neuverschuldung nur „in“ 2016 stehe oder aber „ab“ 2016. Der Finanzminister habe nur ein Konzept für das Jahr 2016 vorgelegt, nicht für die Zeit danach. Die Grünen-Landtagsfraktion legte Zahlen vor, die eine Absenkung der Neuverschuldung vorsahen, jedoch keine Nullverschuldung. Noch am vergangenen Wochenende sah es so aus, als seien Schmid und die Grünen gewillt, den Streit über den Sommer zu tragen. Überraschend kam es dann am Mittwochmorgen zu einem Treffen der Koalitionsspitzen. Dieses erbrachte die Einigung.

Opposition: Beschlüsse greifen zu kurz

Die Verstimmung zwischen Kretschmann und Schmid war trotzdem noch zu spüren. Der Regierungschef begründete sein wochenlanges Zögern mit dem Hinweis, Vorschläge wie jener zur Neuverschuldung gehörten „zum Job eines Finanzministers“, sein Job als Ministerpräsident sei es, solche Vorschläge zu prüfen. Kretschmann beklagte sich erneut, dass Schmid seinen Plan so schnell in die Öffentlichkeit lanciert habe. Ob auch nach 2017 die Nullverschuldung gehalten werden kann, ist offen. Auch bei weiteren strukturellen Einsparungen im Etat und bei einem günstigen konjunkturellen Umfeld verbleibt eine Deckungslücke von etwa einer halben Milliarde Euro, die geschlossen werden muss.

Der Opposition gehen die Beschlüsse von Grün-Rot nicht weit genug. CDU-Fraktionschef Peter Hauk sagte, es sei durchaus möglich, in diesem Jahr mit der Nullverschuldung zu beginnen. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sagte: „Jetzt hat selbst der Ministerpräsident gemerkt, dass ein weiteres Zögern den Bürgern nicht mehr zuzumuten gewesen wäre.“