Zwei neue Rechtsgutachten stärken die Position der Kirche: die neuen Fenster für das Gotteshaus stellen keine Gefahr dar für die künstlerische Substanz des Werkes von Charles Crodel. Dessen Enkel streitet für das Erbe seines Großvaters.

Heilbronn - Eins ist klar: der Verein der Kilianskirchenfreunde kann aus seinem Vermögen von 554 000 Euro Spendengeldern die neuen Glaskunstfenster für die Heilbronner Kilianskirche stiften, über die seit zwei Jahren teils erbittert gestritten wird. Das ist das Ergebnis zweier Rechtsgutachten, die sowohl die Position der Kirche als auch des Vereins stützen. Seit die Entwürfe von Bernhard Huber (Esslingen) und Xenia Hausner (Wien/Berlin) vorliegen, wird diskutiert. Nun werden die neuen Fenster wohl eingebaut werden. Die Baugenehmigung dafür hatte die Stadt schon 2011 erteilt, nachdem weder die landeskirchlichen Gremien noch der Denkmalschutz Einwände hatten.

 

Zu Beginn des Streits ging es um Geschmacksfragen

Die Pläne existieren schon länger: als der Verein nach der Sanierung des Kiliansturmes noch einen erheblichen Rest an Spendengeld hatte, kam die Idee auf, die schmucklosen Fenster im Chor und in einem der Seitenschiffe neu und künstlerisch anspruchsvoll zu gestalten. Der Streit entzündete sich zunächst an Geschmacksfragen, später ging es auch um kunsthistorische Aspekte und um die Frage, ob damit das Fensterwerk von Charles Crodel (1894-1973) zerstört würde. Crodel hatte in den späten 50er bis in die 60er Jahre hinein beim Wiederaufbau der Kirche die Chorfenster und weitere Fenster gestaltet. Für den Kölner Kunsthistoriker und Crodel-Enkel Cornelius Steckner, der auch seine Mutter als Erbin vertritt, steht diese „Zerstörung“ unzweifelhaft fest. Er hatte sich für seinen Standpunkt von früheren Schülern seines Großvaters publizistische Unterstützung geholt. „Er ist messianisch unterwegs“ sagt dagegen Hans Hambücher, der Vorstand der Vereins der Kilianskirchenfreunde. Nach Vorlage der Rechtsgutachten, die Dekan Otto Friedrich in Auftrag gegeben hatte, ist Steckners Position kaum mehr zu halten. Dabei scheint es nun nicht einmal sicher zu sein, ob die zur Neugestaltung anstehenden Fenster überhaupt von Crodel sind. Ein Gutachten schreibt sie eher Victor Seile (Stuttgart ) zu.

Die Kirche hat auch Steckner die Gutachten vorgelegt, das ließ ihn offenbar schnell erkennen, dass er in einer eventuellen gerichtlichen Auseinandersetzung den Kürzeren ziehen würde. Das 35 Seiten umfassende Gutachten der Münchner Rechtsanwältin Dorothea Thum basiert auf der kunsthistorischen Aufarbeitung der Geschichte des Wiederaufbaus der Kilianskirche nach dem Krieg. Sie weist Steckners Argument deutlich zurück. Durch die neuen Fenster werde nicht in das Urheberrecht eingegriffen, auch würden sie, da sie ebenfalls von angesehenen Künstlern stammen, weder Crodels Reputation noch die Sicht auf seine Fenster beeinträchtigen. Auch der zweite Gutachter, Rechtsanwalt Professor Jan Hegemann (Berlin), sagt: „Der Einbau der Entwürfe bewirkt keine tief greifenden Änderungen, welche die künstlerische Substanz des bereits vorhandenen Fensterwerkes Crodels beeinträchtigen.“

Die Gestaltung der Fenster widerspricht nicht der Satzung

Steckner hat daraufhin offensichtlich seine Kritik verlagert: so stellte er kürzlich überraschend fest, das Maßwerk so gut wie aller Fenster sei marode und einsturzgefährdet, man müsse alle sanieren. Diesem Vorhalt widersprach der Dekan heftig: die Kirche werde einer jährlichen Bauaufsicht unterzogen, erkannte Mängel seinen bereits behoben. Steckner hatte wohl einen Brief der ebenfalls in Heilbronn tätigen Glaskunstfirma „Derix“ in Bezug auf die neuen Planungen kurzerhand zum „Gutachten“ erhoben. Das hat Wilhelm Derix jetzt zurechtgerückt. Auch Steckners Verweis auf die der Satzung widersprechende Fenstergestaltung ist ausgeräumt. Hier hat sich der Verein abgesichert – zunächst durch die Zustimmung der Mitglieder schon im vorigen Jahr, nun in der aktuellen Mitgliederversammlung und beim Finanzamt, das den Satzungszweck nicht verletzt sieht. Bis Ende März hat Steckner nun Zeit, sich seine Urheberrechtsklage zu überlegen. Andernfalls will die Kirche mit einer Feststellungsklage Sicherheit erlangen und dann mit dem Einbau der Fenster beginnen. Sollte Steckner weiter gerichtliche Schritte erwägen, könnte es teuer werden. Der Rechtsberater des Vereins spricht von 600 000 Euro Streitwert und möglichen 40 000 Euro Gerichtskosten.

Vor 50 Jahren übrigens spaltete schon einmal ein Streit über die Kilianskirche die Stadt. Damals ging es um die Wiederherstellung des hochgotischen Seyfer-Altars. Der damalige Dekan und viele Heilbronner wollten die erhaltenen Schnitzfiguren in einen modernen Rahmen stellen. Sie beugten sich damals allerdings dem Mehrheitswillen der Heilbronner. Der Seyfer-Altar steht wieder in voller Pracht da und macht die Kilianskirche, zu einem der herausragenden Kirchenbauwerke in Deutschland.