Kommen wir zu Sachfragen. Das Thema Stuttgart 21 hat erneut Brisanz bekommen: Der Brandschutz weist große Mängel auf, Züge entgleisen. Herr Turner, Sie wollen den Bahnhof möglichst schnell bauen. Wie soll das unter diesen Umständen möglich sein?
Turner Das Thema Brandschutz zeigt, wie die Rolle des künftigen Stuttgarter OB sein muss. Er sollte dafür sorgen, dass der Bahnhof sicher gebaut wird. Die Brandschutzmängel sind von den Experten der Stadt schon aufgezeigt worden. Der OB muss die Bahn unter Druck setzen, dass sie ihre Arbeit macht, und er muss gegenüber denjenigen Farbe bekennen, die das Projekt nicht wollen. Ein OB, der wie Herr Kuhn den Bahnhof nicht will, wird auf mögliche Probleme nicht frühzeitig hinweisen.
Kuhn In der Kampagne, die Sie gegen mich unternehmen, stellen Sie die These auf, ich sei ein Kostenrisiko für das Projekt. Jetzt kann jeder sehen, wie falsch das ist. Das größte Kostenrisiko für das Projekt ist die Schlamperei bei der Bahn – der Berliner Flughafen lässt grüßen. Dass in Stuttgart beim Bahnhof das Brandschutzkonzept nicht besteht, wissen wir doch schon seit 2002 und spätestens seit der Schlichtung. Stuttgart 21 plus hat vorgesehen, dass die Bahn ein neues Brandschutzkonzept er- arbeitet. Das ist nicht geschehen.
Turner Der Berliner Flughafen wurde komplett von Politikern kontrolliert. Politiker haften als Personen nicht für die Kosten, die sie produzieren. Darin liegt auch eine Ursache für viele Versäumnisse.
Kuhn Berlin macht etwas ganz anderes deutlich, Herr Turner. Befürworter eines Projekts schauen oft lieber nicht so genau hin, wenn etwas schiefläuft.
Turner Nein, es ist für mich eine Frage der Mentalität. Ein Unternehmer, der sein ganzes Leben für Kosten gehaftet hat, geht mit einer anderen Einstellung ran. Ich könnte jetzt auch grüne Politiker nennen, die in Aufsichtsräten von Banken gesessen haben und die mitangesehen haben, wie die Bankenkrise entstanden ist.

Bleiben wir beim Bahnhof.
Kuhn Die Bahn hat den Leuten gesagt, Stuttgart 21 sei das bestgeplante Projekt al- ler Zeiten. Für mich bedeutet das: auch das bestkalkulierte Projekt. Der zusätzliche Brandschutz wird Geld kosten. Ich sage: mit einem OB Kuhn wird die Bahn dieses Geld bezahlen müssen und nicht die Stadt.
Turner Beim Brandschutzkonzept darf es keine Anhebung des Kostendeckels geben, weil der Bahnhof den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen muss. Für mich gilt: Klarheit und Härte bei den Kosten. Der andere Punkt ist: wenn wir als Stadt mehr bestellen, beispielsweise ein größeres Fahrradhaus am Bahnhof, dann muss man über diese Mehrkosten verhandeln.
Kuhn Ich sage dagegen: die wahren Kosten müssen erst einmal auf den Tisch. Der OB muss Transparenz bei der Bahn herstellen, die fehlt bisher völlig. Sie sehen ja, dass die Bahn überfordert ist. Die Weichenprobleme sind ein Indiz dafür. Die Stadt kann es sich nicht leisten, dass man bundesweit herumerzählt, es sei kritisch, über Stuttgart zu fahren, weil es dort immer Verspätungen gebe. Ich werde diese Dinge in Ruhe mit den Beteiligten erörtern und dann werden wir eine Lösung finden.
Turner Da frage ich mich, wie ausgerechnet ein grüner Oberbürgermeister für Lösungen sorgen will! Ihrer Partei geht doch jede Sachlichkeit abhanden, das ist reinste Emotionalität. Das schönste Zitat einer grünen Stadträtin ist: der Abriss der Seitenflügel sei nur vergleichbar mit der Schändung der Heiligtümer von Buddhisten durch die Taliban. Wenn jemand mit dieser Mentalität in der Stadt etwas zu sagen hat, dann ist klar, was passiert. Vor Gericht wird es heißen: Sie haben verzögert, also ist die Stadt mit dran bei den Mehrkosten.
Kuhn Also von mir ist das nicht. Mit dem Zerrbild, das Sie in Ihrer Angstkampagne gegen mich aufbauen, hat die Wirklichkeit nichts zu tun. Ich kandidiere als OB und kenne die Rechtslage sowie die technischen Seiten des Projekts. Und ich habe gesagt, ich werde der Bahn auf die Finger schauen. Für mich gilt: Sicherheit geht vor Schnelligkeit. Ich werde kein Zeitverzögerungs-Kostentreiber sein, das erledigt die Bahn schon allein.