Politik: Matthias Schiermeyer (ms)
Herr Wolf, mit ihrer Forderung nach mehr selbstbestimmter Arbeit trifft die IG Metall den Nerv der Zeit. Familiengerechte Arbeitszeiten sind doch ein Weg, Fachkräfte in die Industrie zu locken?
Wolf: Es gibt heute schon Möglichkeiten nach dem Teilzeitgesetz, Arbeitszeit abzusenken – das machen viele Mitarbeiter auch. Jetzt kommt die IG Metall mit einer Forderung um die Ecke, die zu einer Diskriminierung führen würde. Nehmen wir die alleinerziehende Mutter mit drei Kindern, die ihre Arbeitszeit bereits auf 28 Stunden abgesenkt hat. Dazu den alleinerziehenden Vater, der sich um ein Kind kümmert, und der nach einem Tarifabschluss in der IG-Metall-Logik die Arbeitszeit auch auf 28 Stunden reduziert und dafür 200 Euro Entgeltausgleich im Monat erhält. Das ist diskriminierend, ungerecht und aus unserer Sicht rechtswidrig. Daher wird es keinen Teillohnausgleich geben.
Zitzelsberger: Wir wollen etwas Neues, was es heute nicht gibt. Wenn Sie sagen, dass es da ein Problem gibt, sagen wir: Wir lösen es, indem wir für diese Beschäftigten schlicht den Zugang zu einem Modellwechsel ermöglichen – den Übergang vom heutigen Teilzeitmodell zur verkürzten Vollzeit.
Wolf: Da schieben Sie eine neue Forderung nach – übermitteln Sie uns diese erst einmal offiziell.
Zitzelsberger: Wir schieben keine Forderung nach.
Wolf: Natürlich ist das eine neue Forderung, die Sie da auf den Tisch legen. Sie können von uns nicht erwarten, dass wir Altfälle angleichen. Das werden wir mit Vehemenz ablehnen, weil es völlig außer der Welt ist. Das geht gar nicht. Ich kann daher nur empfehlen, die ganze Forderung nach einem Zuschlag bei einer Arbeitszeitverkürzung vom Tisch zu nehmen, damit es nicht zu Diskriminierungen kommt.
Zitzelsberger: Wir werden unsere Forderung definitiv nicht vom Tisch nehmen. Nahezu jede Flexibilität wird heute von den Belegschaften erfüllt. In den Betrieben brummt es ohne Ende. Wir sind schon an der Oberkante – es sei denn, man erklärt Weihnachten, Silvester und Ostern noch zu Arbeitstagen. Stellen Sie uns nicht als die Fortschrittsverweigerer hin – das sind nämlich Sie. Sie kommen mit Ihren alten Konzepten: Kosten runter und mehr Flexibilität bis zum Geht-nicht-mehr. Wenn sie mal anerkennen würden, dass die Menschen auch Freiräume bei ihrer Arbeitszeit brauchen, dann könnten wir mal ernsthaft diskutieren. Aber Sie verweigern dies!
Wolf: Der gesellschaftspolitischen Verantwortung für Familie und Pflege werden wir heute schon gerecht. Unsere Unternehmen bieten attraktive Arbeitszeitmodelle an. Gucken Sie mal in die Betriebe rein, wie viele Beschäftigte da Teilzeit für Kindererziehung in Anspruch nehmen. Aber die IG Metall überzieht jetzt einfach mit Forderungen, die keine Rücksicht auf die betriebliche Organisation nehmen: Es ist aber immer noch die Hoheit des Unternehmers, diese Organisation aufrecht zu erhalten.
Die Arbeitgeber haben in der ersten Runde ihrerseits ein Forderungspaket vorgelegt mit einer Beseitigung der Betriebsquote für Mitarbeiter, die 40 Wochenstunden arbeiten dürfen, mit längeren individuellen Arbeitszeiten und einer teilweisen Abschaffung des Nachtzuschlags. Wollen Sie einen Paradigmenwechsel hin zu genereller Mehrarbeit?
Wolf: Die Welt ist nicht so statisch, wie die IG Metall meint. Wenn wir weiterhin global aufgestellt sein wollen, müssen wir diese Zeitmodelle anpassen. Das Schöne ist: vor allem die jungen Beschäftigten wollen diesen Prozess mitgehen. Die finden es spannend, wie sich die Welt verändert. Eine hohe Prozentzahl würde sofort mehr arbeiten, wenn wir diese 18-Prozent-Quote nicht hätten, weil sie mehr verdienen wollen. Warum muss die IG Metall die Menschen in den Betrieben reglementieren?
Ist an dem Katalog irgendetwas diskutabel für die IG Metall?
Zitzelsberger: Solange auf der Gegenseite nicht mal der geringste Ansatzpunkt zu erkennen ist, über unsere arbeitszeitpolitischen Themen zu reden, werde ich einen Teufel tun, irgendeine Arbeitgeberforderung für diskutabel zu erklären.
Auch nach der großen IG-Metall-Umfrage wollen gerade höher qualifizierte Mitarbeiter gerne länger arbeiten. Müssen Sie ihnen nicht entgegenkommen?
Zitzelsberger: Für die überwiegende Anzahl der Beschäftigten ist die 35-Stunden-Woche die Anker-Arbeitszeit. Es gibt Wünsche, länger zu arbeiten – aber vor allem Wünsche, die Arbeitszeit vorübergehend absenken zu können.
Wolf: Das geht doch heute schon.
Zitzelsberger: Heute hängt das vom Gutdünken des Unternehmens ab – übrigens auch für die, die länger arbeiten wollen. Und wenn man abgesenkt hat, hängt der Beschäftigte in der Falle und kann nicht zur alten Arbeitszeit zurückkehren. Ich sag Ihnen mal, was Sie mit einer kollektiven Arbeitszeitausweitung wirklich bezwecken wollen: Sie wollen die Zuschläge sparen, die in ungünstigen Zeiten anfallen. Darum geht es! Darüber werden wir auch einen heftigen Streit kriegen.