Die unkalkulierbaren Kosten der Atommüll-Endlagerung bereiten den Energieriesen Sorgen. Angeblich wollen sie sie auf die Steuerzahler abwälzen. Doch die Bundesregierung dementiert entsprechende Verhandlungen mit den Konzernen.

Berlin - Die Bundesregierung geht in Deckung. Vom Wunschtraum der drei großen Energiekonzerne Eon, RWE und EnBW, Atomreaktoren und vor allem die in ihren Kosten völlig unkalkulierbare Entsorgung zu verstaatlichen, will man in Berlin nichts gehört haben. Der „Spiegel“ hatte am Wochenende über derlei Gedankenspiele der Konzerne berichtet – und bisher wurden diese zwar nicht bestätigt, aber auch nicht dementiert. Von den Konzernen ist dazu schlichtweg nichts zu hören. Meldungen, wonach bereits mit der Bundesregierung über solche Ideen verhandelt werde, stoßen aber auf den Widerspruch des Kanzleramtes. „Es gibt weder Verhandlungen noch Beschlüsse“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

 

Eine Sprecherin von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte: „Der Vorschlag ist uns nicht bekannt, deshalb können wir ihn auch nicht kommentieren.“ Und aus dem Umweltministerium ist zu hören, dass in dieser Angelegenheit bisher „keinerlei Kontakt“ und „keine Vorstöße“ zu verzeichnen waren. „Wir gehen davon aus, dass die Betreiber weiter die volle Verantwortung tragen für die Restaufsicht und die Entsorgung“, sagte ein Sprecher von Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD).

Gleichwohl wird in der Regierung eingeräumt, dass die zugrunde liegende Stiftungsidee schon länger im Gespräch ist. Die Atomkonzerne bieten dem „Spiegel“ zufolge nämlich an, die Rückstellungen, die sie für die Entsorgung des Mülls bilden mussten, in eine staatliche Stiftung zu übertragen. Das findet in den Fachabteilungen der Ministerin und sogar bei Umweltverbänden durchaus Sympathie, weil dann die bisher ausgewiesenen Rückstellungen in Höhe von rund 36 Milliarden Euro rasch verfügbar und auch im Falle der Insolvenz eines Energieversorgers vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt wären. Dem Bericht zufolge dringen die Konzerne aber zudem darauf, darüber hinausgehende Risiken auf den Staat, sprich: den Steuerzahler, abzuwälzen. Da bislang kein Experte verlässlich berechnen kann, auf welche Summe sich die Kosten für den Rückbau der Atomkraftwerke und die Entsorgung des Strahlenmülls addieren, ist der Wunsch der Konzerne ebenso nachvollziehbar wie die geringe Neigung der Bundesregierung, diesen zu erfüllen.

Die Konzerne haben allerdings durchaus noch einige Trümpfe in der Hand. Laut „Spiegel“ bieten sie an, mehrere Klagen zurückzuziehen, etwa jene auf Rückzahlung der Brennelementesteuer, die seit Anfang 2011 von den Konzernen zu zahlen ist. Das Finanzgericht Hamburg hatte vor Kurzem die Steuer für verfassungswidrig erklärt. Zwar stehen die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs noch aus, aber die Chancen des Bundes, bereits gezahlte fünf Milliarden Euro behalten zu dürfen, sind mit dem Hamburger Urteilsspruch nicht gestiegen. Im Topf künftiger Verhandlungen könnten außerdem Milliardenklagen auf Schadenersatz landen, der von der Regierung wegen des unerwarteten Ausstiegsbeschlusses nach der Atomkatastrophe von Fukushima verlangt wird.

Die Bundesregierung lehnt es offiziell ab, solche Streitfragen in künftigen Verhandlungen in einen Zusammenhang zu bringen. Die Haltung von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sei es, dass eine Verknüpfung dieser Themen „nicht sachgerecht ist“, sagte eine Ministeriumssprecherin. Unstreitig ist gleichwohl, dass in dieser Legislaturperiode verhandelt werden muss. Das ergibt sich allein schon aus dem Koalitionsvertrag, der laut Umweltministerium „Gespräche vorsieht“, in denen geklärt werden soll, wie die Konzerne „ihrer rechtlichen Verpflichtung zur Kostenübernahme“ nachkommen können.