In diesem Jahr kamen bislang deutlich weniger Flüchtlinge in den Kreis, als zunächst vermutet. Da in der Vergangenheit aber nicht alle Menschen untergebracht werden konnten, hat das Landratsamt noch Nachholbedarf.

Kreis Ludwigsburg - Die Zahl der Flüchtlinge, die in den Kreis Ludwigsburg kommen, ist auf einem niedrigeren Niveau als zunächst angenommen. Der Kreis hat in diesem Jahr bisher rund 1900 Menschen in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht. Für das gesamte Jahr geht das Landratsamt von 4000 bis 5000 Flüchtlingen aus – halb so viele wie zuvor prognostiziert. Anfang des Jahres hatte man mit 8000 Neuankömmlingen gerechnet.

 

Bereits im April hatte der Kreistag daher den Bau vieler Unterkünfte auf Eis gelegt, dieser Baustopp gilt laut Andreas Fritz, dem Sprecher des Landratsamts, weiterhin. Die Gebäude, die sich bereits im Bau befinden, werden fertiggestellt. Mit den sinkenden Zahlen geht den Zuständigen die Arbeit jedoch nicht aus: Der Kreis hat einen gehörigen Nachholbedarf. Nach Auskunft der Behörde besteht eine Minusquote von rund 1640 Personen, die eigentlich schon untergebracht sein müssen – was das Landratsamt aber nicht stemmen konnte.

Das Regierungspräsidium in Karlsruhe bemisst die Zuweisungen an Asylbewerbern nach den Einwohnerzahlen der Landkreise. Sorgen die Kreisbehörden nicht für entsprechende Kapazitäten, kommen die Asylsuchenden zunächst andernorts unter. Die Minusquote muss dann jedoch später abgebaut werden – so wie nun in Ludwigsburg. Deshalb nimmt der Kreis künftig rund 400 Personen pro Monat auf – deutlich mehr, als die eigentlichen Zugangszahlen verlangen würden.

Der Stopp für den Bau neuer Unterkünfte bleibt bestehen

Der Kreis muss seine Minusquote abbauen

Die Situation in den Gemeinschaftsunterkünften des Landkreises entspannt sich aber nichtsdestotrotz schon allein deshalb, weil die Asylbewerber nach und nach in die Obhut der Kommunen fallen. Diese sind für die sogenannte Anschlussunterbringung zuständig – wenn das Asylbegehren anerkannt wurde oder nach spätestens zwei Jahren. Der Kreis baut deshalb trotz des Rückstands Kapazitäten in seinen Unterkünften ab, vor allem Turnhallen sollen so schnell wie möglich geräumt werden. Alle freien Plätze (siehe Info) wird der Kreis aber nicht abbauen. Man will gewappnet sein, falls wieder mehr Menschen kommen. Und nicht überall gibt es Spielraum: In den Strohgäu-Kommunen Ditzingen, Gerlingen, Korntal-Münchingen und Hemmingen etwa sind nach Angaben des Landratsamts nahezu alle Plätze in der Erstunterbringung belegt.

Der Druck auf die Kommunen selbst ist indes nicht merklich gesunken. Rund zwei Jahre, rechnet man in Hemmingen, dauere es, bis sich die aktuellen Ereignisse in der Unterbringung der Kommunen widerspiegelten. Rund 70 Flüchtlinge leben derzeit in der Gemeinde. Ein Grundstück in der Patronatstraße, das die Gemeinde dem Kreis verpachten wollte, wird vorerst nicht angeboten. Auch für die eigene Unterbringung sei die Gemeinde nicht akut auf der Suche, sagt Daniel Grömminger vom Ordnungs- und Standesamt – schließlich hat die Gemeinde einige Unterkünfte, etwa in der Hauptstraße und dem ehemaligen Gasthof „Schiff“, jüngst beschlossen. Einen „spürbaren Rückgang“ des Bedarfs erwartet die Gemeinde vorerst nicht. „Wir gehen weiter davon aus, dass alle kommunalen Gebäude auch voll belegt werden müssen“, sagt Daniel Grömminger.

In Gerlingen sind derzeit rund 330 Flüchtlinge untergebracht. Knapp 20 Plätze sind noch frei, ein Gebäude für 35 Personen wird gebaut. Der Bürgermeister Georg Brenner appellierte jüngst in einer Einwohnerversammlung, leer stehende Wohnungen zur Vermietung bereitzustellen. „Wir schaffen es nicht ohne die Unterstützung aus der Bevölkerung.“

In Ditzingen müssen bis 2017 etwa 500 Plätze für Flüchtlinge bereitstehen. Die Standorte sind beschlossen, Unterkünfte für 250 Menschen zum Teil schon gebaut. Der Oberbürgermeister Michael Makurath warnt davor, den für eine Unterkunft reservierten Platz an der Stadthalle aufzugeben und wieder zum Parkplatz umzuwandeln. „Geben Sie keinen Quadratmeter Boden gedanklich auf“, bat er die Stadträte jüngst eindrücklich, die eine entsprechende Überlegung geäußert hatten. Makuraths Begründung: „Den Familiennachzug haben wir noch gar nicht auf der Rechnung.“ Jüngst war bekannt geworden, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit rund 500 000 syrischen Angehörigen rechnet, die nachziehen könnten.

Auch in Korntal-Münchingen rechnet man nicht damit, auf beschlossene Bauten verzichten zu können. Rund 150 Flüchtlinge sind in der Stadt, 162 wurden zur Anschlussunterbringung für dieses Jahr prognostiziert. Es zeichnet sich offenbar ab, dass es weniger sein könnten – auch wenn das Landratsamt die Zahlen nicht nach unten korrigiert hat. Eine Prognose will man bei der Stadt nicht wagen. Die Arbeiten für den Bau eines Fertighauses in der Zuffenhauser Straße in Korntal hat der Gemeinderat jüngst vergeben. Der Bau eines anderen schon beschlossenen Standorts liegt derweil auf Eis: Gegen eine Flüchtlingsunterkunft am Korntaler Friedhof gibt es ein Bürgerbegehren. Die Unterschriften sind jüngst im Rathaus eingereicht worden. Abschließend geprüft ist das Begehren bisher nicht, die Initiatoren haben aber mutmaßlich das nötige Quorum erreicht. Dann würde es einen Bürgerentscheid geben. Am Bedarf ändert das für Joachim Wolf allerdings nichts: „Nach jetzigem Stand brauchen wir beide Unterkünfte dringend“, hatte der Bürgermeister nach Bekanntwerden des Begehrens im April gesagt.