Der Strukturbericht für die Region Stuttgart erzählt in diesem wie in den Jahren zuvor vor allem eine Erfolgsgeschichte. Doch die Herausgeber schütten Wasser in den Wein: Die Region sei zu stark vom Automobil abhängig.

Stuttgart - Erfolgsmeldungen und mahnende Worte – so lässt sich der Strukturbericht Region Stuttgart 2015 zusammenfassen, der am Mittwoch im Hospitalhof vorgestellt worden ist. Alle zwei Jahre untersuchen die von vier regionalen Organisationen beauftragten Experten des Instituts für angewandte Wirtschaftsforschung (IAW Tübingen) und des Instituts für Medienforschung und Urbanistik (IMU Stuttgart) die Entwicklung von Wirtschaft und Beschäftigung in der Region Stuttgart.

 

Seit der Finanzkrise 2008/2009 habe sich die Region wirtschaftlich „sehr gut entwickelt“, meinen die Experten. Die Beschäftigung hat mit 1,15 Millionen Menschen einen neuen Höchststand erreicht. Der Stuttgarter Ballungsraum schneidet im deutschlandweiten Vergleich der Regionen gut ab – insbesondere aufgrund der hohen Exportquote im verarbeitenden Gewerbe. Spitzenplätze gibt es auch bei den Forschungsaufwendungen und der Patentdichte, was als Ausweis einer hohen Wettbewerbsfähigkeit gilt. Aber auch die Investitionstätigkeit ist überdurchschnittlich. Sie liegt mit vier Prozent vom Umsatz im Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2013 deutlich über den Werten für Bund (3,2 Prozent) und Land (3,5 Prozent).

Der Strukturbericht belegt aber auch, wie prägend die Automobilindustrie für die Region ist. Fast 200 000 Menschen, und damit ein Sechstel der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten, arbeitet in diesem Bereich – neudeutsch „Automotiv-Cluster“ –, bei Daimler und Porsche, aber auch bei Zulieferern und Dienstleistern vom Ingenieurbüro bis zur Werbeagentur. Darüber hinaus ist der Fahrzeugbau für mehr als zwei Drittel der Investitionen verantwortlich, allein Porsche und Daimler steckten und stecken rund fünf Milliarden Euro in den Ausbau ihrer Fabriken.

Allerdings merken die Experten Jürgen Dispan (IMU) und Andreas Koch (IAW) die „starke Orientierung“ auf den Verbrennungsmotor und die „abwartende Haltung einzelner Akteure im Bereich alternativer Abtriebssysteme“ kritisch an. Die automobile Wertschöpfungskette von Forschung, Entwicklung und Produktion müsse in der Region erhalten werden, fordern die Herausgeber der Studie. Dafür müssten effektive Netzwerke geschaffen werden, damit innovative Produkte hier entwickelt und gebaut werden. „Auch wenn die Beschäftigung bis Mitte der 2020er Jahre gesichert ist, müssen wir die permanente Modernisierung mitgehen“, sagt Uwe Meinhardt von der IG Metall Region Stuttgart.

Maschinenbauer verlassen die Städte

Hinter der Automobilindustrie hat sich der Maschinenbau als zweitwichtigste Branche mit einem deutlichen Beschäftigungsplus stabilisiert, aber er weist in der Region wie die Elektrotechnik eine geringere Investitionsquote auf als in Bund und Land. Während im Fahrzeugbau in der Region 5,4 Prozent des Umsatzes (Durchschnittswert 2008 bis 2013) investiert werden (Land: 4,7 Prozent, Bund: 3,5 Prozent), beträgt im Maschinenbau der Region der Wert nur 2,4 Prozent (Land: 3 Prozent, Bund: 2,8 Prozent). Außerdem registrieren Dispan und Koch eine „Stadtflucht des Maschinenbaus“, dessen Bedeutung in Stuttgart sinkt und in den umliegenden Kreisen steigt.

Über die Ursachen dieser Entwicklungen soll in einem Investitionsdialog Maschinenbau diskutiert werden, lautet die Empfehlung des Strukturberichts, der auch ein stärkeres Engagement des Landes in der Technologieförderung verlangt. „Wir brauchen mehr Wissens- und Technologietransfer für kleinere und mittlere Betriebe“, sagt Claus Munkwitz, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer.

Der Dienstleistungssektor, in dem mit mehr als 750 000 Menschen zwei Drittel der Beschäftigten arbeiten, weist in der Region gegenüber Land und Bund ein unterdurchschnittliches Wachstum auf – zumal viele neue Arbeitsplätze nur Teilzeitstellen oder prekäre Verhältnisse sind. Zudem nehmen auch im verarbeitenden Gewerbe die Dienstleistungstätigkeiten zu.

Breitbandinternet muss ausgebaut werden

Allerdings beklagen die Herausgeber der Studie auch verschiedene Investitionshemmnisse. Gerade die „Stadtflucht“ des Maschinenbaus hänge mit dem Mangel an Gewerbeflächen zusammen, sagt Bernd Engelhardt, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Region Stuttgart: „Wer nicht erweitern kann, zieht um.“ Die Region tue, was sie könne, um neue Gewerbeflächen auszuweisen, sagt dazu die Regionaldirektorin Nicola Schelling. „Doch wir müssen moderieren und werben, damit die Gemeinden das auch umsetzen.“ Bei manchen Kommunen und in Teilen der Bevölkerung gebe es da auch eine „Übersättigungsproblematik“.

Größere Anstrengungen seien auch bei der Verkehrsinfrastruktur und dem Ausbau der Breitbandanbindung nötig. Die Region werde sich dafür einsetzen, versprach Schelling. Gerade beim Breitbandausbau wolle man eng mit Anbietern, Kreisen und Kommunen zusammenarbeiten.

Weitere Schaubilder

Wir zeigen hier noch zwei weitere Erkenntnisse aus den Strukturdaten zur Region Stuttgart. Zum einen zur Qualifikation der Arbeitnehmer:

Interessant ist auch diese Statistik, laut der in der Region der Anteil der Frauen unter den Beschäftigten unterdurchschnittlich ist: