Warum ist die Luft in Stuttgart am Neckartor so schlecht? Liegt die hohe Feinstaubbelastung nur am Autoverkehr? Eine Studie beschäftigt sich nun mit dem Anteil der Holzöfen – und der ist deutlich höher als landläufig gedacht.

Stuttgart - Der Feinstaubalarm richtet sich nicht nur an Autofahrer, die freiwillig auf das Auto verzichten sollen. Adressaten sind auch die Besitzer sogenannter Komfortkamine, darunter versteht man Holzöfen, die nicht in erster Linie zum Heizen gebraucht werden. Doch was haben die Holzfeuerungsanlagen, in Stuttgart soll es mehr als 20 000 geben, überhaupt mit dem Feinstaub zu tun?

 

Darauf gibt eine bisher in der Öffentlichkeit nicht bekannte und erst Mitte Oktober veröffentlichte Studie der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW) Antwort, die die Feinstaubsituation im Jahr 2015 und im ersten Halbjahr 2016 untersucht hat. Das Fazit: „Die Holzfeuerung leistet zwar meist nicht den größten, aber oft einen relevanten Beitrag zu den Überschreitungen des Feinstaub-Tagesgrenzwerts“, sagt Christiane Lutz-Holzhauer, stellvertretende Referatsleiterin Luftqualität in der LUBW.

Holzöfen an einem Fünftel der Überschreitungstage mitursächlich

So hebe die Belastung durch die Holzfeuerung an zwölf bis 16 der insgesamt 68 Überschreitungstage im Jahr 2015 an der Messstelle Stuttgart-Neckartor den Wert über die 50 Mikrogramm-Grenze, im ersten Quartal 2016 seien dies an vier bis sieben der 23 Überschreitungstage gewesen. Es habe sich gezeigt, dass besonders an den Tagen, an denen der Grenzwert nur knapp überschritten werde, die Belastung durch Holzfeuerungen relevant werden könne. „In diesen Fällen hätte es ohne den Holzfeuerungsbeitrag keine Grenzwertüberschreitung gegeben“, heißt es in der Studie. Insgesamt freilich liegt wegen der hohen Belastung aus dem Autoverkehr der Anteil der Holzfeuerung am Feinstaub am Neckartor zwischen fünf und neun Prozent.

Allerdings hat die Landesanstalt nicht nur die Situation am Neckartor, das als „dreckigste Kreuzung Deutschlands“ gilt, untersucht, sondern auch an sechs weiteren Messstellen in Reutlingen, Tübingen (2), Schramberg, Gärtringen und Stuttgart-Bad Cannstatt. Je geringer an diesen Standorten die Grundbelastung durch den Autoverkehr war, desto relevanter wurde der Anteil des Feinstaubs aus den Holzöfen. Er erreichte Werte zwischen zehn und 32 Prozent. „An den schwächer belasteten Messpunkten wurde ein Großteil der Überschreitungstage durch Holzfeuerungsbeiträge mitverursacht“, sagt Lutz-Holzhauer. So stiegen beispielsweise am Standort Bad Cannstatt an den beiden Überschreitungstagen im Jahr 2015 (außer dem Silvesterfeuerwerk) die Werte durch die Holzfeuerung über 50 Mikrogramm.

Experten verweisen auf Unsicherheiten

Auch beim Verbrennen von Holz entstehen feine Staubpartikel. Ihren Anteil gemessen haben die Experten durch eine Analyse der Stoffe, die sich in den Filtern an den Messstellen abgelagert haben. Als Indikator galt dabei der Anteil an Levoglucosan, einem Stoff, der bei der Verbrennung von Holz entsteht und im abgekühlten Abgas als Bestandteil von Feinstaubpartikeln vorliegt. Allerdings ist der Anteil von Levoglucosan am Feinstaub stark abhängig von der Holz- und Ofenart und der Temperatur, mit der verbrannt wird. „Um diesen Unsicherheiten Rechnung zu tragen“, so die Experten der LUBW, seien sowohl der Anteil der Holzfeuerung an der Feinstaubbelastung als auch die Zahl der davon mitverursachten Überschreitungstage in Bandbreiten angegeben worden.

Auch die Experten der LUBW wissen nur zu gut, dass sie sich mit der Studie nicht nur in die Debatte über den Feinstaubalarm einmischen, sondern auch in ein laufendes Gesetzgebungsverfahren: Das Land will schon zum 1. Januar 2017 ein Verbot von Komfortheizungen erlassen, dagegen laufen Interessenverbände, allen voran die Schornsteinfeger, Sturm.