Auf der Funkausstellung Ifa ist eine Flut neuer Geräte vorgestellt worden. Industrie und Handel drücken in immer kürzeren Abständen neue Modelle in den Markt. Eine Studie zeigt: Bei Großgeräten im Haushalt ist der Anteil der Geräte gestiegen, die wegen Defekten ersetzt werden müssen.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin – Erst 4:3, dann 16:9, später flach, jetzt sogar gebogen, außerdem High Definition und natürlich smart, onlinefähig und vernetzt – wer in den vergangenen zwei Jahrzehnten sein TV-Gerät immer auf dem neuesten Stand haben wollte, kam zeitweise mit dem Austausch kaum noch hinterher. Und schon trommelt die Elektronikbranche für den nächsten, noch schärferen Bildstandard, um die zuletzt flauen Geschäfte mit dem Verkauf neuer, angeblich noch besserer Modelle anzuheizen.

 

Die Flut neuer Geräte, die gerade wieder auf der Funkausstellung in Berlin präsentiert wurden, ist kaum noch zu übersehen. Unter Umweltaspekten sind diese Vermarktungsstrategien fragwürdig. Denn immer mehr Geräte werden ersetzt, obwohl sie noch funktionstüchtig sind. Das zeigen die ersten  Zwischenergebnisse einer Langzeitstudie des Öko-Instituts und der Universität Freiburg im Auftrag des Umweltbundesamts. Demnach hat sich zum Beispiel bei Fernsehern die Nutzungsdauer glatt halbiert. Die alten Flimmerkisten liefen zehn bis zwölf Jahre, moderne Flachbildschirme dagegen werden schon nach fünf bis sechs Jahren ausgetauscht. Im besten Fall werden sie noch als Zwei- oder Drittgeräte verwendet. Denn wirklich defekt ist nur ein Viertel der Geräte, auch das zeigt die Studie. Demnach haben zum Beispiel im Jahr 2012 mehr als 60 Prozent der TV-Käufer den noch funktionstüchtigen Bildschirm durch ein noch besseres Modell ersetzt. Bei  den großen Haushaltsgeräten – also Waschmaschinen, Trocknern oder Kühlschränken – wurde ein Drittel der Geräte ausgemustert, obwohl sie noch liefen. Hier könnte auch die Energieersparnis neuer Modelle eine Rolle gespielt haben, die Handel und Industrie als wichtiges Verkaufsargument nutzen. Die Käufer erhofften sich von neuen Modellen innovative Funktionen und einen Imagegewinn, heißt es in der Untersuchung.

Experten kritisieren „gezielten Einbau von Schwachstellen“

Mit der Studie „Einfluss der Nutzungsdauer von Produkten auf ihre Umweltwirkung“ will das  Umweltbundesamt eine fundierte Datengrundlage schaffen, um das Streitthema besser beurteilen und Strategien für mehr Nachhaltigkeit entwickeln zu können. Die schnelle Alterung und Ausmusterung von Produkten führt zu immer höheren Müllbergen und schnellerem Verbrauch wertvoller  Ressourcen. Kritiker werfen der Wirtschaft vor, zum Beispiel durch den Einbau von Schwachstellen oder durch unausgereifte Modelle teils gezielt darauf hinzuarbeiten, dass Geräte nach wenigen Jahren ersetzt werden müssen (sogenannte geplante Obsoleszenz).

Die Studie soll Anfang nächsten Jahres erscheinen. Erste Ergebnisse zeigten aber bereits, dass bei Großgeräten im Haushalt der Anteil der Geräte gestiegen sei, die wegen Defekten ersetzt werden. Auch deshalb verkürzt sich also die Nutzungsdauer. Das geht zu Lasten der Umwelt, weil neue Geräte hohen Herstellungsaufwand erfordern. Die Experten veranschaulichen den Effekt am Beispiel eines langlebigen Notebooks, das rund 25 Kilo weniger Treibhausgase pro Jahr verursache als ein kurzlebiges.  Bei TV-Geräten vermeide ein langlebiges Modell sogar 60 Kilo Treibhausgase im Jahr.

2014 wurden in Deutschland 5,5 Millionen Notebooks verkauft

Das mag auf den ersten Blick wenig erscheinen. Doch wie viel Einsparpotenzial die längere Nutzung von Geräten böte, zeigt sich an den enormen Absatzzahlen. 2014 wurden allein in Deutschland nämlich mehr als acht Millionen TV-Geräte und fast 5,5 Millionen Notebooks verkauft. Die Zahlen der Studie zeigten, dass im Sinne des Ressourcen-, Klima- und Umweltschutzes die Hersteller gefordert seien, die erwartete Lebensdauer ihrer Produkte transparent zu machen, sagt Siddharth Prakash, Projektleiter am Öko-Institut. Gefragt ist nach Ansicht der Experten auch die Politik. So könnten Vorgaben zur Mindestqualität, Reparaturfähigkeit und Verfügbarkeit von Ersatzteilen gemacht und Verbraucher über die Vorteile längerer Nutzung sowie störanfällige Komponenten aufgeklärt werden. Dazu gehöre zum Beispiel die Information, dass bestimmte Bauteile nur für bestimmte Belastungen ausgelegt und nicht auswechselbar sind. Das könne auch in der EU-Ökodesign-Richtlinie festgeschrieben werden.