Macht es Melbourne seinen Bewohnern leicht, dort Fuß zu fassen beziehungsweise Anschluss zu finden?
Das kann ich nur teilweise beurteilen. Um viele Dinge wie beispielsweise mein Arbeitsvisum kümmerte sich mein damaliger Arbeitgeber. Insofern war das einigermaßen bequem für mich. Bei meiner Arbeit hatte ich allerdings sehr viel Kundenkontakt. Mir fiel auf: Die Menschen dort sind sehr offen, hilfsbereit und zuvorkommend. Das erhöht die Lebensqualität an jedem Ort – vieles wirkte auf mich auch „europäisch“.
Sagen Sie jetzt bitte mal etwas Schlechtes über Melbourne.
Hm, der örtliche Dialekt ist etwas eigenwillig. Etwas gewöhnungsbedürftig ist auch das wechselhafte Wetter. Völlig normal, wenn da alle vier Jahreszeiten innerhalb von nur wenigen Stunden „durchgespielt“ werden. Wenn man drei Mal das Haus morgens in Shorts verlassen hat und Nachmittags fast erfriert, dann weiß man das aber auch. Andererseits: wenn’s warm wird, dann richtig – inklusive Wasserknappheit. An manchen Tagen dürfen nur Leute mit ungeraden Hausnummern den Garten wässern, tags darauf sind dann die anderen an der Reihe. Und das funktioniert tatsächlich.
Vermittelt die Stadt ein Lebensgefühl?
Wenn, dann am ehesten Vielfalt. Fitzroy, eine Art Studentenviertel fand ich gut – Bars, Cafés, Livemusik und auch größere Konzerte. Das bedeutet für mich Lebensqualität. Die Stadt hat auch eine große italienische Community – da muss man nicht lange nach Straßencafés oder Restaurants suchen. Das Pferderennen „Melbourne Cup“ ist auch lustig: Da laufen die Gäste mit edlen Hütchen und Kleidern durch die Stadt – und am Ende sind sie betrunken wie Leute auf dem Volksfest.
Waren Sie mal wieder zu Besuch?
Leider nein. Von Stuttgart aus ist Melbourne nicht gerade um die Ecke.
Bereuen Sie es, weggezogen zu sein?
Manchmal ein bisschen. Ich bin damals ja nicht weg, weil mir die Stadt nicht mehr gefallen hätte. Sagt sich jetzt natürlich leicht, aber: unter anderen beruflichen Umständen, wäre ich wahrscheinlich auch heute noch dort.