Laut dem Landesdenkmalamt gehören die Sandsteinplatten, die Anfang August im Mittleren Schlossgarten auf dem Baufeld für Stuttgart 21 entdeckt worden sind, zu einem offenen Kanal aus dem 17. Jahrhundert. Ob die Funde nur dokumentiert oder auch geborgen werden, ist offen.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Erstmals hat sich das Landesamt für Denkmalpflege zu den Bodenfunden geäußert, die Anfang August im Mittleren Schlossgarten entdeckt worden sind – dort, wo jetzt mit den Arbeiten am Trog des Tiefbahnhofes begonnen wird. Die Konstruktion aus Schilfsandsteinplatten sei mittlerweile auf einer Länge von 25 Metern freigelegt; ein Ende ist noch nicht absehbar. Vermutlich gehörten die Platten zu einem offenen Kanal, der den Nesenbach entlasten sollte. Sprich: Dieser Kanal sollte vor allem nach starkem Regen helfen, das Wasser schneller Richtung Neckar abzuleiten.

 

Die Experten des Landesdenkmalamtes vermuten, dass dieser Kanal bereits im 17. Jahrhundert angelegt worden war. Darauf deute ein schriftlicher Hinweis aus dem Jahr 1659 hin, in dem ein „Neuer Waßergrab am Holtzgartten“ erwähnt wird. Der Nesenbach selbst sei in Karten des späten 17. und des frühen 18. Jahrhunderts als gerade Linie eingezeichnet, was darauf schließen lasse, dass auch der Bach begradigt und gefasst worden ist, sagte Nadine Hilber, die Sprecherin des Regierungspräsidiums Stuttgart. Dort ist das Landesamt für Denkmalpflege angesiedelt.

Bereich lag im 17. Jahrhundert außerhalb der Stadt

Die damalige Situation muss man sich so vorstellen. Im Bereich der heutigen unteren Königstraße und des Hauptbahnhofs lag der herrschaftliche Küchengarten, der von einer Mauer umgeben war und für die Bürger nicht zugänglich war. Außerhalb der Mauer, im heutigen Schlossgarten in Richtung der Willy-Brandt-Straße, verlief zunächst die Chaussee nach Cannstatt, dann ist auf Karten eine Wiese eingezeichnet, weiter der Nesenbach und schließlich der herrschaftliche Holzgarten. Größere Gebäude gab es damals in diesem Bereich nicht; die bürgerliche Bebauung erfolgte sowieso erst Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Gartenanlage, wie wir sie heute kennen, geht auf Nikolaus von Thouret zurück; sie wurde 1806 begonnen.

Die Mitarbeiter des Landesdenkmalamtes können sich vorstellen, dass der Kanal auch als landschaftliches Element diente, um die sogenannte Mail-Bahn aufzuwerten, die Anfang des 17.  Jahrhunderts angelegt und von Alleen begleitet war. Bei dieser Bahn handelte es sich um ein Spielfeld für ein Kugelschlägerspiel, das im zu dieser Zeit beliebt gewesen sein soll. Es gilt als ein Vorläufer von Krocket und Golf.

Erst nächstes Jahr wird eine Entscheidung getroffen

Wie auch immer: Das Landesdenkmalamt stuft die Funde im Mittleren Schlossgarten als so bedeutend ein, dass man sie auf jeden Fall „sichern“ will. Es sei aber noch nicht entschieden, ob eine Dokumentation der Platten genüge oder ob diese tatsächlich geborgen und aufbewahrt würden, so Nadine Hilber. Es handele sich aber um ein „historisches Zeugnis der Entwicklung des Schlossgartens und der Stadt Stuttgart, das aufgrund seines Umfangs und seines guten Erhaltungszustandes in angemessener Form“ erhalten werden solle.

Im Moment sei keine Entscheidung über die Art dieser Sicherung notwendig, da die Platten den derzeitigen Arbeiten an Stuttgart 21 nicht im Wege lägen. Man kann aus dieser Aussage ableiten, dass eine Verzögerung auch nicht im Raum steht. Vermutlich erst nächstes Jahr werde das Baufeld in Angriff genommen, in dem die Schilfsandsteinplatten liegen.

Die bodenkundlichen Untersuchungen im Schlossgarten waren von dem Wissenschaftler Andreas Lehmann von der Universität Hohenheim ausgegangen. Er analysiert die Struktur des Bodens und will so Informationen zur Siedlungsgeschichte der Stadt Stuttgart bekommen. Am Dienstag war Andreas Lehmann für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.