Die Bahn will im Zuge von Stuttgart 21 den Abstell- und Wartungsbahnhof vom Rosensteinpark auf das Gelände in Untertürkheim verlegen. Der Landschaftsarchitekt Christof Luz hat Pläne für eine Überdeckelung des dortigen Güterbahnhofs entwickelt.

Untertürkheim - Christof Luz hat eine Vision. Der Landschaftsarchitekt sitzt in seinem Büro in Stuttgart-Birkach und zeigt auf einen weiter im Nordosten der Stadt gelegenen Punkt auf der Karte. Luz hat Pläne für einen rund einen Kilometer langen Park in Stuttgart-Untertürkheim entwickelt. Nicht etwa im von Weinbergen umgebenen Stadtteil Rotenberg oder im ohnehin naturnah gelegenen Luginsland, sondern direkt im Tal, zwischen Daimler-Werk und Augsburger Straße, auf dem Gelände des Güterbahnhofs.

 

Die Bahn will im Zuge von Stuttgart 21 den Abstell- und Wartungsbahnhof vom Rosensteinpark auf das Gelände in Untertürkheim verlegen. Das Planfeststellungsverfahren ist für diesen Abschnitt noch nicht abgeschlossen. Viele Bewohner des Bezirks fürchten, dass der ohnehin vorhandene Bahnlärm durch die Stuttgart-21-Pläne weiter zunehmen wird.

Christof Luz will das Bahnhofsgelände überdeckeln

Martin Glemser, Grünen-Bezirksbeirat aus Untertürkheim, hat sich deshalb an Christof Luz gewandt. Der Architekt hat Erfahrung darin, wie man „die Interessen der Bahn, der Menschen und der Stadtentwicklung in Einklang bringen kann“, wie er es nennt. Sein Architektenbüro entwarf in den 1990er Jahren zusammen mit dem Verschönerungsverein für den Stuttgart-21-Abschnitt Rohrer Kurve die sogenannte „Vision Brückenschlag“. Eine Landschaftsbrücke, die die Bahngleise zum Teil unter die Erde verlegen würde. Auch wenn es die Idee laut Auskunft des Stuttgart-21-Kommunikationsbüros nie in das eigentliche Planungsverfahren schaffte, hat Luz jetzt ein ganz ähnliches Szenario für den Güterbahnhof in Untertürkheim entwickelt. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Pläne in die Realität umgesetzt werden, liegt vermutlich wieder nur im Promillebereich. Aber davon lässt sich der Landschaftsarchitekt nicht entmutigen, im Gegenteil.

Christof Luz will das Bahnhofsgelände überdeckeln. „Der Lärm wäre vollkommen weg“, sagt Luz. Etwa auf Höhe des Eszet-Stegs, einer Brücke über dem Güterbahnhof, will er eine Parkanlage schaffen. „Das wäre ein Freiraumsystem, das seinesgleichen sucht“, sagt der Architekt, vergleichbar allenfalls mit Projekten wie dem Park am Gleisdreieck in Berlin. „Unter diesem Bauwerk könnte sich alles abspielen, was die Bahn braucht“, sagt Luz.

Der Fluss ist vor allem industriell geprägt

Bei der Bahn will man die Entwürfe des Landschaftsarchitekten jedoch nicht kommentieren. „Wir kennen diese Pläne nicht“, sagt ein Sprecher des Stuttgart-21-Kommunikationsbüros. Zudem äußere sich die Bahn nur zu Verfahrensinhalten. Wenn die Idee von Christof Luz von einem der Projektpartner, zum Beispiel der Stadt, in das Verfahren eingebracht würde, werde man sich damit beschäftigen.

Mit Stuttgart 21 haben die Pläne des Architekten aber eigentlich auch gar nichts zu tun. „Wir agieren hier nicht als Stuttgart-21-Gegner“, sagt der 59-Jährige. Die Erklärung, warum der Architekt in seiner Freizeit Pläne für Untertürkheim ausarbeitet – denn bezahlt wird er für diese Arbeit auch nicht –, findet sich in der Vergangenheit des Familienbetriebs.

Christof Luz’ Großvater hat sich in den 1920er Jahren dafür eingesetzt, dass der Rosensteinpark nicht zugebaut wurde. In den Folgejahren setzte sich das Architektenbüro der Familie immer wieder für die Vergrößerung und vor allem Verbindung der städtischen Grünflächen ein und wirkte so entscheidend an der Entstehung des Grünen U mit. Das Grüne U ist eine etwa acht Kilometer lange Grünfläche, die aus sechs miteinander verbundenen Parkanlagen besteht. Vollendet wurde sie im Rahmen der Internationalen Gartenbauausstellung 1993.

Für Christof Luz ist es selbstverständlich, sich für die Entwicklung seiner Heimatstadt einzusetzen. Und der Landschaftsarchitekt ist davon überzeugt, dass die Neckarvororte aus stadtplanerischer Sicht in der Vergangenheit vernachlässigt wurden. Ein solches Verhalten sei typisch für Städte, die zwar in der Nähe eines Flusses, aber nicht direkt am Fluss liegen.

Eine Industriekultur soll geschaffen werden

Die Gegend um den Fluss würde in der Regel mit „Unbeliebtem, aber Notwendigem aufgefüllt.“ Also mit allem, was die Bewohner der Stadt zwar brauchen, aber nicht so gern in ihrer unmittelbaren Umgebung haben. Gerade in den oberen Neckarvororten ist dieses Phänomen zu beobachten. Der Fluss ist vor allem industriell geprägt, Grünflächen gibt es in unmittelbarer Nähe zum Neckar so gut wie keine.

Luz geht es nicht darum, die Industrie aus dieser Gegend zu verdrängen. Er will eine Art Industriekultur schaffen, die Gegend am Fluss auch für die Menschen zugänglich machen. Die Überdeckelung des Güterbahnhofs wäre ein erster Schritt in diese Richtung. Der 59-jährige Architekt würde die Parkanlage deshalb auch befürworten, wenn die Bahn den Wartungs- und Abstellbahnhof nicht nach Untertürkheim verlegen wollte. Allerdings könnte die Stadt laut Luz durch die zeitliche Koppelung mit dem Bahnprojekt „mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen.“

Die Gegend würde sich ohnehin in eine Baustelle verwandeln, und der Löwenanteil der Überdeckelung könnte durch die im Zuge von Stuttgart 21 anfallenden Ausgleichsmaßnahmen finanziert werden. Im Frühherbst sollen die Pläne fertig sein. „Wir bearbeiten das so weit, dass die Betroffenen damit etwas anfangen können“ sagt Luz. Anschließend könnten die Pläne im Untertürkheimer Bezirksbeirat vorgestellt werden. Das lokale Gremium müsse entscheiden, ob es die Idee in Richtung Stadtverwaltung weitertrage – oder in der Schublade verschwinden lasse. Dorthin, wo bisher auch Luz’ Pläne zur Überdeckelung der Rohrer Kurve liegen.