Zwei Eigentümer an der Straße Frühlingshalde in Stuttgart-Nord wehren sich gegen den Bau der Stuttgart-21-Röhre unter ihrem Grund. In der Klage werfen sie der Bahn vor, sich nicht an die Vorgaben der Baugenehmigung zu halten.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Bewegt sich die Bahn beim Tunnelbau für Stuttgart 21 außerhalb der von der Baugenehmigung gedeckten Flächen? Diesen Vorwurf erheben zwei Eigentümer von Grundstücken an der Straße Frühlingshalde in Stuttgart-Nord in einer Klage, die der Anwalt Armin Wirsing am Montag beim baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) eingereicht hat. Beim Bau der Röhre, die einmal den Durchgangsbahnhof mit Bad Cannstatt verbindet, würden die Mineure die Grundstücke der Kläger am kommenden Sonntag erreichen. Der Tunnel liegt an dieser Stelle rund 39 Meter unter den betroffenen Grundstücken.

 

Laut Anwalt hält die Bahn sich nicht an die Genehmigung

Auslöser des Rechtsstreits ist eine sogenannte „vorzeitige Besitzeinweisung.“ Dieser vom Regierungspräsidium (RP) auf Antrag der Bahn erlassene Beschluss erlaubt es den Tunnelbauern, auch unter Grundstücken von Eigentümern zu arbeiten, die sich mit der Bahn nicht geeinigt haben. Die Betroffenen aus der Frühlingshalde hatten sich am 14. Juli beim RP mit Vertretern der Bahn getroffen. Einen Tag später erließ die Behörde den Beschluss. Grundlage dafür ist der Planfestestellungsbeschluss für den betreffenden Abschnitt.

Der Anwalt der Kläger argumentiert nun, dass die Bahn sich aber nicht an diese Baugenehmigung halte, da sie die Grundstücke seiner Mandanten nicht nur in der Breite der Tunnelröhre in Anspruch nehme, sondern darüber hinaus durch Stahlanker, die seitwärts und schräg nach oben von dem unterirdischen Bauwerk ausgehen, um das umliegende Gestein zu sichern. „Der Planfeststellungsbeschluss deckt diese Verfahrensweise nicht ab“, heißt es in der Klage. Der Verwaltungsgerichtshof möge den Besitzeinweisungsbeschluss zurücknehmen. Da dieser vom Regierungspräsidium erlassen wurde, sitzt das Land auf der Anklagebank und nicht die Bahn, die baut. „Die Anker sind ein Baubehelf und stellen nur eine vorübergehende Belastung des Grundstücks dar. Das ist ein übliches Bauverfahren“, erklärt ein Sprecher des Kommunikationsbüros hingegen.

Parallel zu der Klage will Armin Wirsing erreichen, dass die Bahn bis zur Klärung nicht weiterbauen darf. Andernfalls würden Tatsachen geschaffen. Denn mit der ergangenen Besitzeinweisung kann die Bahn faktisch weitermachen. Der Jurist wirft der Bahn wie auch dem Land wörtlich eine „Augen-zu-und-durch-Mentalität“ vor. Wirsing verweist auf den Zeitdruck, der sich aus dem Bauzeitenplan ergibt und geht davon aus, dass der VGH noch diese Woche über den Antrag auf aufschiebende Wirkung entscheidet.

Großteil der Verhandlungen endet mit einer Einigung

Seit Mai 2015 verhandelten Bahn und Eigentümer an der Frühlingshalde – letztlich, ohne eine Einigung zu erzielen. Für S 21 muss die Bahn mehr als 3000 Grundstücke untertunneln. Je nach Baufortschritt nimmt sie Kontakt zu den betroffenen Eigentümern auf. Mit mehr als 1100 hat sie sich geeinigt. Den Anteil derer, bei den die Bahn auf eine Besitzeinweisung zurückgreifen muss, beziffert das Unternehmen auf rund drei Prozent.