Das Klagen aller gegen alle bei Stuttgart 21 belastet das Milliardenprojekt. Die Beteuerungen, die Auseinandersetzungen belasteten das Verhältnis der Projektpartner nicht, sind wenig glaubwürdig.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Das Bahn- und Städtebauprojekt Stuttgart 21 wird zunehmend auch eines der Rechtswissenschaften. Ungezählt sind die gerichtlichen Vorstöße gegen die Finanzierung des Milliardenvorhabens wie auch gegen Bau- und Ausnahmegenehmigungen vom sonst gültigen Regelwerk. An die Auseinandersetzungen, die auch schon bis vor höchste deutsche Gerichte geführt haben, hat sich die Öffentlichkeit mehr oder minder gewöhnt. Projektkritiker, deren Ansinnen in der überwiegenden Zahl vor den Gerichten scheiterten, sinnieren zuweilen darüber, ob die Juristen denn auch mit der notwendigen Unabhängigkeit ihre Anliegen verhandeln. Projektbefürworter sehen in der Klageflut eine unnötige Belastung der Gerichte und damit einhergehend eine Verschwendung öffentlicher Mittel.

 

Für den Außenstehenden kaum nachvollziehbar

Dass nun auch die Projektpartner gegeneinander den Rechtsweg beschreiten oder zumindest damit drohen, ist für Außenstehende nur noch schwer zu durchdringen. Die Bahn will nicht auf den Mehrkosten von zwei Milliarden Euro (oder mehr) alleine sitzen bleiben. Land, Stadt, Region und Flughafen sehen sich aber nicht aufgerufen, der Bahn weiteres Geld zu überweisen. Wer am Ende recht behält, müssen die Gerichte bestimmen.

Das Land wiederum will sich nicht nachsagen lassen, sich zu siegesgewiss der Bahnklage zu stellen. Was, wenn am Ende doch ein Spruch stünde, der Baden-Württemberg in der Bringschuld sieht? Dann will sich das Land natürlich an den Projektpartnern schadlos halten, in deren Namen es auch die Finanzierungsvereinbarung unterzeichnet hat. Im Umkehrschluss bedeutet die im Raum stehende Klage des Landes gegen die Projektpartner allerdings eben nicht, dass die Landesjuristen befürchten, schlechte Karten auf der Hand zu haben. Ein Projektpartner wertet das Ganze hinter vorgehaltener Hand gar als „Übung am juristischen Hochreck, mit der man auch noch die 26. Eventualität abdecken möchte“. Ob das lediglich sich selbst Zuversicht zusprechender Optimismus ist, bleibt allerdings abzuwarten.

Eine Belastung für die Zusammenarbeit

Selbst wenn es der Bahn irgendwie gelingen sollte, die aufgelaufenen Verzögerungen beim Bau von Stuttgart 21 aufzuholen, bleiben die Projektpartner noch satte fünf Jahre eine Zweckgemeinschaft. Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie es um deren Innenleben bestellt ist, wenn munter jeder gegen jeden klagt – gegenteilige Beteuerung der Beteiligten, das Atmosphärische stimme, klingen nicht glaubwürdig. Die Klagen jedenfalls sind keinesfalls ein Instrument, das deutschlandweit argwöhnisch beäugte Bauvorhaben wieder in ruhigeres Fahrwasser zu bringen. Es werden noch Wetten angenommen: Rollen die ersten Züge noch ehe gerichtlich festgestellt ist, wer welchen Anteil der Rechnung am Ende bezahlt?