Während sich also der sonst so robuste Ministerpräsident sanft gab, äußerte sich der meist zurückhaltende Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Dienstag harsch über die Stuttgarter Bahnhofsproteste. "Was mir Sorgen macht, ist die Senkung der Gewaltschwelle bei den Demonstranten", sagte de Maizière im ZDF. Wenn Tausende von 13-jährigen Schülern von ihren begüterten Eltern Krankschreibungen bekämen, um zu demonstrieren, dann sei das ein "Missbrauch des Demonstrationsrechts". Friedliche Demonstranten müssten sich von Gewaltgruppen lösen, damit die Polizei einschreiten könne. "Sie dürfen ihnen nicht noch Schutz bieten." Kritisch sieht de Maizière auch die Schlichtung durch den früheren CDU-Generalsekretär Heiner Geißler: "Es kann ja auch nicht sein, dass die handelnden Politiker die Idioten sind, und die ehemaligen Politiker sind die Heiligen." Schlichtung könne kein Maßstab für solche Großverfahren sein. Für das Großprojekt habe es umfangreiche Planungen mit Bürgerbeteiligung gegeben. "Dann muss das gelten und durchgesetzt werden", sagte de Maizière. Politik sei Abwägung und das Suchen von Kompromissen. Zu diesen müsse man stehen, anstatt einer "Stimmungsdemokratie nachzugeben". "Wir brauchen Substanz statt Betroffenheit."

Volksabstimmung wird weiterhin abgelehnt


Bleibt die Frage nach einer Volksabstimmung. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sprach sich gegen einen nachträglichen Volksentscheid über das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 aus. "Das wäre demokratietheoretisch und rechtlich problematisch." Jetzt gehe es darum, den Dialog zu suchen. Das Projekt könne man aber nicht mehr infrage stellen. Für die Zukunft sollten nach den Worten der Ministerin Möglichkeiten entwickelt werden, wie die Bürger besser an der Planung von Großprojekten beteiligt werden könnten.

Auch Ministerpräsident Mappus lehnte einen Volksentscheid über Stuttgart 21 erneut ab. Er sagte unter Berufung auf den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, für einen Volksentscheid sei es bei einem so fortgeschrittenen Projekt zu spät. Wenn die SPD jetzt diesen Ausweg suche, dann handle es sich um Missbrauch. Die SPD handle nach dem Motto: "Wenn der Boden etwas heiß wird, kippe ich 15 Jahre Planung und mache einen Volksentscheid." Mappus offenbarte sich als "überzeugter Anhänger der repräsentativen Demokratie". Die Menschen gehe es um Beteiligung, weniger darum, bei einer Abstimmung mit Ja oder Nein zu stimmen.

Einen solchen Diskussionsprozess wolle er bei Stuttgart 21 vorantreiben. Das wäre ein "Sieg der Demokratie". Am Ende seines gestrigen Presseauftritts war Stefan Mappus doch wieder auf der Siegerseite. So viel Bescheidenheit muss sein.