Am Dienstag beginnt vor dem Landgericht in Stuttgart der Prozess gegen zwei Polizeibeamte, denen wegen des Einsatzes von Wasserwerfern gegen Stuttgart-21-Demonstranten fahrlässige Körperverletzung im Amt vorgeworfen wird. Eine Schöffin ist bereits vor Prozessbeginn abgelehnt worden.

Stuttgart - Kurz vor dem Beginn des Wasserwerferprozesses an diesem Dienstag vor dem Landgericht Stuttgart hat sich die Zusammensetzung der zuständigen 18. Großen Strafkammer bereits geändert. Wegen der Besorgnis der Befangenheit ist eine Schöffin aus dem Verfahren ausgeschieden. Der Grund: sie hatte sich in der Vergangenheit höchst kritisch über den Polizeieinsatz am 30. September 2010 im Schlossgarten geäußert. Entsprechende Informationen der Stuttgarter Zeitung bestätigte ein Sprecher des Landgerichts. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Angeklagten – zwei Abschnittsleiter der Polizei – hätten die Schöffin wegen möglicher Befangenheit abgelehnt. Hintergrund seien deren Äußerungen in einem Zeitungsartikel gewesen. Die Kammer habe die Anträge inzwischen für begründet erklärt. Dabei habe sie sich auf Äußerungen der Schöffin in dem Artikel sowie auf deren Stellungnahme zu dem Befangenheitsgesuch gestützt.

 

Der Prozess wird vermutlich mehrere Monate dauern

Nach StZ-Informationen handelt es sich bei der Schöffin um die Kommunalpolitikerin Theresia Liebs aus Kornwestheim (Kreis Ludwigsburg). Die heute 69-jährige Liebs, die seit 2009 als ehrenamtliche Richterin am Landgericht tätig ist, bestätigte dies. Aus Empörung über den Einsatz hatte sie Anfang Oktober 2010 ihren Austritt aus der CDU erklärt. Sie begründete dies mit den „unglaublichen Maßnahmen gegen wehrlose Bürgerinnen und Bürger“. „Die Verhältnismäßigkeit der Mittel wurde nicht gewahrt, christliche und demokratische Werte wurde mit Schlagstöcken erschlagen“, schrieb Liebs. Zuvor hatte sie bereits die CDU-Fraktion im Kornwestheimer Gemeinderat verlassen, dem sie heute als Vertreterin der Freien Wähler angehört. Wie Liebs reagierten damals viele Christdemokraten: In Briefen an die Partei und das damals CDU-geführte Staatsministerium äußerten sie sich schockiert über den „Schwarzen Donnerstag“. Immer wieder kam es auch zu Parteiaustritten; deren genaue Zahl ist nicht bekannt. Das Verfahren gegen die 41 und 48 Jahre alten Polizeibeamten wird voraussichtlich bis Weihnachten dauern. Die ersten Zeugen sind für den 1. Juli geladen, das ist der dritte Verhandlungstag. Ob es nach der Verlesung der Anklage Stellungnahmen der beiden Polizeibeamten zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen geben wird, ist noch nicht bekannt.

Streit um Zahl der Verletzten am Schwarzen Donnerstag

Den beiden Einsatzabschnittsleitern wird fahrlässige Körperverletzung im Amt vorgeworfen. Sie sollen nicht eingeschritten sein, als die Wasserwerfer mit scharfem Strahl die Rohre auf Demonstranten richteten, wirft ihnen die Anklage vor. Der Einsatzleiter hatte lediglich Wasserregen, der weniger stark ist, freigegeben, und nicht die Wasserstöße, die mehrere Demonstranten am Kopf trafen. Am Rande des Prozesses entspinnt sich nun auch noch ein Streit um die Zahl der Verletzten. Das Innenministerium nennt rund 130 Opfer. Die Parkschützer fordern, diese Zahl auf mindestens 400 Personen zu korrigieren. So viele seien von Demosanitätern versorgt worden.