Im Hauptbahnhof wirbt ein Brausehersteller mit einem Slogan, der dem Hausherren nicht gefallen kann. Die Bahn muss beißenden Spott über sich ergehen lassen.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Stuttgart - Wer den Schaden hat, muss nicht lange warten, bis sich Spötter einstellen. Wenn der Hohn dann auch noch direkt vor der Haustüre ausgekübelt wird, tut’s doppelt weh. Gedanken, die womöglich den einen oder anderen Stuttgart-21-Bauer durchströmen, wenn er dieser Tage durch den Bahnhof geht – also den bestehenden, nicht den irgendwann einmal fertigen in Tieflage. „Wenn Ihr Projekt früher fertig werden muss“, heißt es auf einem Werbebanner des österreichischen Brauseherstellers Red Bull, verbunden mit der obligatorischen Feststellung, das in Büchsen gereichte Getränk verleihe Flügel. Das Reklameplakat steht in der Kopfbahnsteighalle, nur einen Dosenwurf entfernt von jenen Baugruben, in denen es gerade nicht so prickelnd läuft.

 

Was nützen Flügel beim Tunnelbau?

Mal abgesehen davon, dass die Fähigkeit fliegen zu können, beim Tunnelbau von eher nachrangiger Bedeutung zu sein scheint, liegt der Werbebotschaft wenn nicht ein Missverständnis,so doch offenkundige Unkenntnis der Verhältnisse in der Landeshauptstadt zu Grunde. Kein Mensch fordert, dass Stuttgart 21 vor der Zeit fertig wird. Vielmehr wären alle Beteiligten schon sehr zufrieden, wenn zum avisierten Fertigstellungsdatum Züge durch das Tunnelgewirr führen. Von fliegen mag niemand reden.

In der Chefetage der Bahn würden sie zu dieser Gelegenheit vermutlich eine gute Flasche aufmachen. Die Dosen des Werbetreibenden eignen sich nur bedingt zum Anstoßen, es sei denn, man ist ostdeutscher Fußballer oder Formel-1-Fahrer. Wobei: der letztgenannte Personenkreis hatte zuletzt in etwa so oft Anlass zum ausgiebigen Feiern wie die Stuttgarter Bahnhofsbauer.

Die Baustellen sind fest in österreichischer Hand

Dabei wäre es für den österreichischen Brausebrauer ein leichtes gewesen, Informationen aus erster Hand zu bekommen. Die S-21-Baustellen werden von Fachleuten aus der Alpenrepublik dominiert. Merke: Wo ein Tunnel gebohrt wird, ist der Österreicher nicht weit.

Hellhörig werden müssen sicherlich auch Projektkritiker und Denkmalschützer, die den Verlust der beiden Seitenflügel des Bonatzbaus beklagen. Da kann ein Wunder-trunk, der Flügel verleiht, womöglich Wunden heilen. Entschieden dementiert werden muss allerdings, der von der Werbegrafik geschürte Verdacht, die Bauarbeiten an dem Projekt hätten den Bahnhof neben den beiden Seitenflügeln mittlerweile auch den Mercedes-Stern auf dem Turm gekostet. Übereinstimmende Augenzeugenberichte bestätigen, dass sich das Markenzeichen des Autobauers weiterhin in luftiger Höhe dreht.

Der Agentur sei abschließend das beworbene Produkt empfohlen, von dem es ausweislich der Kampagne heißt, es belebe Geist und Körper. Wohlsein!