Nicht alle Kommunen unterstützen das Milliardenvorhaben vorbehaltlos. Sie sehen teilweise ihre Interessen in Gefahr.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)
Stuttgart - Was haben Weissach, Murrhardt und Leinfelden-Echterdingen gemeinsam? An den Bahnhöfen aller drei Kommunen halten zumindest derzeit keine Fernzüge, dennoch zahlen die drei Orte kräftig für Stuttgart 21 mit. Denn der Verband Region Stuttgart (VRS) als Befürworter des Bahnprojektes übernimmt 100 Millionen Euro an den Kosten - dieses Geld holt er sich über eine Verkehrsumlage von den Landkreisen und damit letztlich von den Kommunen. Nur der Landkreis Göppingen ist von dieser Abgabe ausgenommen. Knapp 57 Millionen Euro beträgt die Umlage im laufenden Jahr.

Nicht alle Bürgermeister der Region sind deshalb uneingeschränkt Feuer und Flamme für Stuttgart 21. Johannes Buchter, der grüne Bürgermeister in Gäufelden (Kr. Böblingen), ist jedenfalls äußerst skeptisch. Bis jetzt seien Gäufelden und andere Kommunen im südlichen Kreisgebiet über die Gäubahn hervorragend an Stuttgart angebunden, sagt er. Durch Stuttgart 21 könnten aber Mittel fehlen, die Gäubahn weiter auszubauen. Vor allem fürchtet Buchter, dass der bisherige Halbstundentakt ausgedünnt wird: "Uns droht eine deutliche Verschlechterung", sagt er. Grundsätzlich macht er aus seiner Abneigung gegen Stuttgart 21 keinen Hehl: "In wirtschaftlich guten Zeiten war das Projekt vielleicht akzeptabel - heute ist es fatal."

Ursula Kreutel, die parteilose Bürgermeisterin von Weissach (Kreis Böblingen), sieht ebenfalls manche Interessen ihrer Gemeinde durch Stuttgart 21 gefährdet. Die Hoffnung, dass die Strohgäubahn einst wieder von Weissach bis zum Hauptbahnhof fahre, wird durch Stuttgart 21 getrübt: Das neue Bahnnetz bringe engere Takte, weshalb laut Bahn gar kein Platz für die Strohgäuzüge da sei. "Uns bringt Stuttgart 21 nichts", sagt Kreutel deshalb. Dennoch unterstützt sie das Projekt, weil der Ausbau des europäischen Netzes wichtig sei. Und überhaupt lebten die Gemeinden der Region in einer Solidargemeinschaft: "Da darf man nicht jeden Cent aufrechnen."

Städte in den Randzonen sind skeptischer


Für die Kommunen abseits der Hauptstrecken der Bahn ist bei ihrer Haltung pro oder contra Stuttgart 21 entscheidend, ob mit dem Bahnprojekt auch der Nahverkehr an den Rändern der Region gestärkt wird. Gerhard Strobel, der parteilose Bürgermeister von Murrhardt im Rems-Murr-Kreis, sagt deshalb ganz offen: "Unsere Belange sind bisher nicht ausreichend berücksichtigt." Konkret fordert er einen zügigen Ausbau der Murrbahn. Jürgen Lenz (CDU), Bürgermeister in Böhmenkirch im Kreis Göppingen, stößt in dasselbe Horn: Wenn nur irgendwann die S-Bahn nach Göppingen komme und sonst nichts, dann gehöre Böhmenkirch zu den Verlierern. Zwar werden durch Stuttgart 21 direkte Linien von Aalen nach Tübingen oder von Heilbronn zum Flughafen möglich; dies allein ist diesen Gemeinden aber zu wenig.