Der Schnellbahnverkehr in Frankreich wirft satte Gewinne ab. Hohe Trassenpreise mindern allerdings den Ertrag.

Paris - Der Vergleich eines Hochgeschwindigkeitszugs mit einer Milchkuh drängt sich nicht eben auf. Die Franzosen ziehen ihn trotzdem. Nicht, dass ihr TGV besonders gemächlich daherkäme. Mit einer Reisegeschwindigkeit von bis zu 320 Stundenkilometern rasen die Schnellbahnzüge seit 1981 über ein exklusiv errichtetes, mittlerweile 1900 Kilometer langes Schienennetz. Kein Güter- oder Regionalzug kommt ihnen dabei in die Quere.

Was an eine Milchkuh erinnert, ist vielmehr der Ertrag, den der TGV abwirft. Während die staatliche Eisenbahngesellschaft SNCF im Frachtverkehr noch immer rote Zahlen schreibt, erwirtschaftet sie mit der Schnellbahn satte Gewinne.

Zwischen Paris und Marseille hat der in drei Stunden zum Mittelmeer flitzende Zug weitgehend das Flugzeug verdrängt, zwischen Paris und London ebenfalls. Die Idee, im zentralistischen Frankreich Hauptstadt und Peripherie mit Hochgeschwindigkeitslinien zu verbinden, hat sich bewährt. 800 TGV sind täglich unterwegs. Sie gelten als Symbol des Fortschritts, und sie sind Stolz der Nation

Umsatzeinbußen


Aber die Milchkuh kränkelt. Hatte der TGV-Verkehr 2008 noch eine Umsatzrendite von 20,1 Prozent erzielt, werden es in diesem Jahr nur noch 10,2 Prozent sein. Der Gewinn von traditionell mehr als einer Milliarde Euro dürfte auf 730 Millionen schrumpfen. Während es im Hochgeschwindigkeitsgeschäft bisher nur darum ging, wie schnell es wachsen würde, rücken auf einmal unrentable TGV-Strecken in den Fokus, geht es um Streichung einzelner Zugverbindungen, wenn nicht um Streckenstilllegungen.

Anfang des Jahres meldete die Wirtschaftszeitung "Les Echos", jeder fünfte TGV trage der SNCF Verluste ein. Anders als die nach wie vor äußerst rentablen Strecken zwischen Paris und den Metropolen an der Peripherie (Straßburg, Marseille, Bordeaux, Lille) oder auch von Paris ins Ausland (London, Brüssel, Stuttgart) sind Querverbindungen, die die Hauptstadt aussparen, ein Minusgeschäft. Als defizitär gelten etwa die Linien Straßburg-Lille, Straßburg-Nantes und Straßburg-Bordeaux. Während "Les Echos" eine starke Reduzierung des Zugaufkommens oder gar eine Streichung dieser TGV-Verbindungen prophezeite, äußerte sich die SNCF zurückhaltender. Es gebe keinerlei Pläne, den Hochgeschwindigkeitsverkehr auf einer der Strecken einzustellen, versicherte ein Bahnsprecher.

Schuld an den schwindenden Erträgen ist neben einem stagnierenden Passagieraufkommen eine drastische Erhöhung der Gleisnutzungsgebühren. Die Eigentümerin des französischen Schienennetzes, die RFF (Eisenbahnnetz Frankreichs), hat die Maut seit 2008 um 23 Prozent heraufgesetzt. Zur Begründung verweist die RFF zum einen auf teure Investitionen wie die geplanten Hochgeschwindigkeitsstrecken Mulhouse-Dijon (Rhein-Rhône-Trasse) oder Bordeaux-Spanien. Zum andern führt sie die seit Anfang des Jahres zugelassene ausländische Konkurrenz ins Feld, die man nicht mit niedrigen Nutzungsgebühren auf Kosten der französischen Steuerzahler subventionieren wolle.

Rentabilität ist nicht alles


Hatten die unerfreuliche Geschäftsentwicklung und mögliche Konsequenzen zunächst Besorgnis ausgelöst, herrscht mittlerweile wieder weithin Zuversicht. Zu verdanken ist das Verkehrsminister Dominique Bussereau. Der Minister hat klargestellt, dass für ein Staatsunternehmen wie die SNCF Rentabilität nicht alles sei. Frankreichs Eisenbahngesellschaft habe einen öffentlichen Versorgungsauftrag zu erfüllen, sagte Bussereau, die Streichung von TGV-Verbindungen komme nicht infrage.

Diese Aussage wiederum erinnert an Worte des Staatschefs Nicolas Sarkozy, der dem SNCF-Chef Guillaume Pepy einmal ins Stammbuch schrieb: Die SNCF hat "als französisches Staatsunternehmen in Europa eine Führungsrolle zu übernehmen". Im Frühjahr 2008 war das allerdings gewesen - vor der Finanzkrise also, zu einer Zeit, da der Staat das Geld noch mit vollen Händen auszugeben pflegte.