Dass man auf dem Wasen Stuttgarter Frühlingsfest, aber Cannstatter Volksfest sagt, hängt mit der Historie zusammen. Wir blicken zurück auf die Anfänge des Rummels im Frühling. Manchmal war es so kalt, dass Glühwein zum Renner wurde.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Selbst die Veranstalter wissen nicht, in welchem Jahr das erste Frühlingsfest auf dem Wasen als „kleine Schwester“ des Volksfestes gestartet ist. In den 1930ern muss es gewesen sein. Am Samstag wird der Fassanstich bei der 84. Auflage gefeiert.

 

Nur die Historie des Cannstatter Volksfestes ist hinreichend erforscht. 1818 haben der württembergische König Wilhelm I. und seine Frau Katharina das Volk nach Hungersnöten und Missernten zum Feiern entlang des Neckars eingeladen.

Der Urahn des Frühlingsfest: der Pferde- und Hundemarkt

Auf den Plakaten steht die Zahl 84 beim Frühlingsfest. Da es Ausfälle in der Zeit des Nationalsozialismus gab, kann damit nicht auf das Gründungsjahr geschlossen werden. Obendrein ist es historisch nicht verbürgt, ob es wirklich das 84. Fest ist. Irgendwann nach dem Zweiten Weltkrieg hat die Stadt per Verwaltungsakt festgelegt, das wievielte Frühlingsfest nun gefeiert werde.

Als erwiesen gilt, dass 1914 erstmals im Frühjahr ein Pferde- und Hundemarkt auf dem Cannstatter Wasen stattgefunden hat, wohl der Urahn des Frühlingsfestes. Zwar tat man in der Nachbarschaft bei Daimler alles, um Pferde als Zugtiere überflüssig zu machen, doch lange Zeit noch traf man sich zum Pferdemarkt am Neckar.

Etwa zwei Jahrzehnte später wollte die Stadt für die Schausteller nach den harten Winterwochen ohne Rummelplätze etwas tun. Sie sollten auch im Frühling Gelegenheit zum Geldverdienen erhalten. Und das Volk freute sich übers zusätzliche Krügestemmen.

1934 soll erstmals ein Frühlingsfest auf dem Wasen stattgefunden haben, wenn es stimmt, was der 2007 verstorbene Festwirt Walter Weitmann gesagt hat. Alte Briefe aus den 1950ern zwischen einer Standesorganisation der Schausteller und dem damaligen OB Arnulf Klett belegten dies. Allerdings, so erzählt man sich noch heute, wollte Weitmann damit seinem Intimfeind Willi Stamer eins auswischen.

In den 50ern gab’s Streit

Die Stadt hatte Stamer für seinen Biergarten einen guten Standplatz gegeben wegen seiner Verdienste um die Wiedereinführung des Frühlingsfestes im Jahr 1955. Da es das Frühlingsfest aber bereits vor dem Krieg gegeben habe, seien Stamers Verdienste nicht allzu groß, argumentierte Weitmann seinerzeit. Auf jeden Fall nicht groß genug, um ihn mit einem guten Platz zu belohnen.

Heute steht fest: Stuttgart hat das größte Frühlingsfest in Europa – da kommt auch München nicht mit. Wer kennt den Unterschied? Es heißt: Cannstatter Volksfest, aber Stuttgarter Frühlingsfest! Dabei wird auf ein und demselben Platz gefeiert. Dass die Ortsnamen noch heute verschieden sind, liegt daran, dass Bad Cannstatt nicht mehr selbstständig war, als die kleine Schwester des Volksfestes zum Wohle der Schausteller nach deren Winterpause in den 30ern hinzugekommen ist.

Die Entscheidung wurde von den Stadtoberen getroffen: Das Rathaus bestand darauf, es Stuttgarter Frühlingsfest zu nennen – weshalb manche Cannstatter damals feierlich gelobt haben sollen, das Fest mit Stuttgarter Namen niemals zu besuchen.

Auf dem Frühlingsfest 2024 gibt es „nur“ vier Festzelte: Göckelesmaier, Wasenwirt, Grandls Hofbräu Zelt und die Almhütte Royal. Hinzu kommt das Albdorf mit regionalen Spezialitäten. Das Frühlingsfest geht bis zum 12. Mai. Auf dem Wasen hoffen alle auf gutes Wetter – damit diese Saison ganz ohne Glühwein auskommt.

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