Die Stuttgarter Kickers machen bei der 1:4-Niederlage am Samstag im DFB-Pokalspiel gegen Borussia Dortmund Werbung in eigener Sache. Für einen Misston sorgt nur der VfB Stuttgart.

Stuttgart - Zur Feier des Tages singt zunächst einmal Helene Fischer aus den Lautsprechern. Mit ihr und „Atemlos“ stimmen die Kickers auf das Pokalduell gegen Borussia Dortmund ein. Partymusik liegt in der Luft – und fidel ist der Nachmittag trotz der 1:4-Niederlage geworden. Nur der VfB Stuttgart hat gestört – und damit soll diese kleine Rückschau auch beginnen.

 

Die Blockade des VfB

Als alle schon gegangen sind, sitzt Michael Zeyer noch im Presseraum der Mercedes-Benz-Arena, um seinen Kaffee auszutrinken. Dann will der Kickers-Manager aber auch heim, da die Themen rund um das Spiel gegen Dortmund ja eh im Prinzip abgearbeitet sind. Ein Punkt ist jedoch noch offen. Obwohl 37 000 Zuschauer gekommen sind, blieb die Cannstatter Kurve komplett leer. Und warum? Es geschah auf Anweisung des VfB Stuttgart, der das Stadion zusammen mit der Stadt betreibt. Eine Geisterkulisse hinter einem Tor also.

Zeyer nimmt einen Schluck aus dem Becher. Dann bricht es aus ihm heraus. Er erzählt von sehr unerfreulichen Gesprächen, die er diesbezüglich mit dem VfB geführt habe, um wenigstens einen Kompromiss zu erzielen. Dazu habe er vorgeschlagen, in der Cannstatter Kurve – der Heimat der VfB-Fans – einen Familienblock einzurichten. Das Ergebnis: abgeschmettert.

Angesichts der Haltung des Lokalrivalen redet sich Zeyer in Rage. Der Kaffee wird kalt. Der VfB sei stur und engstirnig gewesen, sagt er. Konstruktive Argumente hätten die Verantwortlichen dort gar nicht interessiert. Stattdessen hätten sie auf ihrer Position beharrt, aber das kenne man ja aus der Vergangenheit. Von mangelnder Souveränität beim VfB spricht Zeyer – und davon, dass die Sperrung der Cannstatter Kurve eine reine Gefälligkeitsaktion dem eigenen Anhang gegenüber gewesen sei, der den Verein zunehmend kritisch betrachtet. Damit habe sich der VfB aus der Schusslinie nehmen und die Leute besänftigen wollen – auf Kosten der Kickers. Diese Sätze dürften im roten Clubhaus auf dem Wasen jetzt diskutiert werden. Das weiß Zeyer, der einst ja beim VfB gespielt hat. Es ist ihm egal. Er steht auf und geht. „Die Maßnahme war mit den Sicherheitsbehörden abgestimmt, um Auseinandersetzungen vorzubeugen“, sagt der VfB-Stabsdirektor Stefan Heim einen Tag später.

Die Offensive von Jürgen Klopp

Was Zeyer sagt, kriegt der Dortmunder Trainer nicht mehr mit. Da ist er schon weg. Früher war Klopp ein glühender VfB-Fan. Ob er das noch ist, lässt er vor seinem Abgang offen. „Zumindest in meiner Kindheit war ich ein Roter“, sagt Klopp. Verdammt lang her also. Aktuell ist das: „Dass ich mal so ein Loblied auf die Blauen singen würde, hätte ich damals nicht gedacht – aber heute komme ich nicht drumherum.“

Tja, Augen zu, da muss er durch. Der Trainer ist eben beeindruckt von den Kickers. Sie setzten der Borussia mehr zu als die Bayern am Mittwoch im Supercup. Das sagt Klopp zwar nicht direkt, aber indirekt mit seinem Loblied, das sich in seinem typischen Sprachjargon so anhört: „Ich ziehe alle Hüte vor dem, was die Kickers abgerissen haben. Das war geiler Fußball – mutig und hat uns richtig wehgetan.“ Das Ergebnis sei „dramatisch deutlicher ausgefallen als es auf dem Platz ausgesehen hat“.

Letztlich zählt aber nur dieses Resultat – und so ist Klopp im weiteren Verlauf der Pressekonferenz bester Dinge. Köstlich amüsiert er sich da, vielleicht auch weil einige Fragesteller ihren schwäbischen Dialekt nicht verbergen können. Da fühlt er sich womöglich an seine Jugendzeit als VfB-Fan in Ergenzingen erinnert. Als ein Reporter wissen will, wie er die Leistung seiner Elf beurteilt, lacht er höhnisch. Dann sagt er, dass er das doch gerade schon beantwortet hat und dass er keine Lust verspürt, das noch mal zu beantworten. „Nicht mein Problem, wenn Sie nicht aufgepasst haben“, sagt Klopp, der kurz danach aufsteht und den Presseraum im Gegensatz zu dem Reporter grinsend verlässt.

Die Perspektive der Kickers

Der Trainer Horst Steffen ist nach dem Schlusspfiff auch im Presseraum – und Rainer Lorz. Der Präsident sagt einen erstaunlichen Satz: „ Wir müssen darauf achten, dass die Jungs jetzt nicht abheben.“ Abheben, nach einem 1:4? Wie geht das? Es geht theoretisch wirklich, denn die Kickers agierten meist auf Augenhöhe mit der Borussia, die vor einem Jahr als Champions-League-Finalist die zweitbeste Mannschaft in Europa stellte. Und die Kickers spielten so gut, dass sie wohl sogar leichter Favorit wären, wenn sie morgen auf die VfB-Profis treffen würden – sofern sie nicht abheben.

So hat an diesem Samstag nicht nur Lorz den Eindruck, dass durchaus etwas wachsen könnte in seinem Club und unter der Regie des Duos Zeyer/Steffen. Das Team habe sich zuletzt prima entwickelt, sagt Lorz, „schon die ersten vier Saisonspiele in der dritten Liga haben mir Mut gemacht. Darauf können wir aufbauen“.

Darauf – und auf den spielerischen Ansätzen, die von Steffen gefördert werden. Dazu stimmt die Transferpolitik mit den Zeyer-Einkäufen Besar Halimi, Gerrit Müller und Randy Edwini-Bonsu, die gegen Dortmund bewiesen haben, warum sie da sind. Der Alltag heißt jedoch Hallescher FC, wo die Kickers am Samstag antreten. „Ich hoffe, dass wir in der Meisterschaft so Gas geben wie heute“, sagt Steffen, „dann werden sich Erfolge einstellen.“ Dann sagt der Trainer noch, dass er nun ein Bier trinkt. Vielleicht hört er dazu ja Helene Fischer.