Die deutschen Schulbuchverlage haben zu kämpfen. Der Umsatz mit Bildungsmedien sank 2012 um vier Prozent. Die Belletristiktochter Klett-Cotta hilft der Stuttgarter Klett-Gruppe die sinkenden Schulbuchumsätze auszugleichen.

Stuttgart - Die deutschen Schulbuchverlage haben zu kämpfen. Der Umsatz mit Bildungsmedien sank im vergangenen Jahr um vier Prozent. Die Jahrgangsstärken gehen zurück, zusätzlich senkt der Trend zur verkürzten Gymnasialzeit die Schülerzahl – und in manchen Bundesländern, siehe Hessen, schrumpfen die Lernmittelbudgets. Die Berliner Cornelsen-Gruppe, die Nummer zwei auf dem Schulbuchmarkt, strukturiert seit drei Jahren um und macht derzeit mit der Streichung jeder siebten Stelle Schlagzeilen. Die Nummer drei, der Braunschweiger Westermann-Verlag, sucht sein Heil in der Übernahme des Konkurrenten Bildungsverlag Eins.

 

Auch der Marktführer, die Stuttgarter Klett-Gruppe, muss schrumpfende Schulbuchumsätze verkraften: 2012 sanken die Erlöse mit Lehr- und Lernmaterial um vier Millionen Euro. „Das hat uns nicht überrascht“, sagt Arthur Zimmermann, der Finanzvorstand der Gruppe, im Gespräch mit der Stuttgarter Zeitung. „Wir haben uns darauf eingestellt.“

Ziel von Klett sei, die Umsätze stabil zu halten – auch in Zeiten der Digitalisierung. Die Gruppe hat deshalb begonnen, ihre Inhalte großflächig für das Computerzeitalter in der Schule umzusetzen. Mittlerweile bietet Klett 400 Schulbücher digitalisiert an. Auf der Internetplattform Digitale-Schulbuecher.de, die der Verband Bildungsmedien für seine Mitglieder aufgebaut hat, stammt derzeit fast jedes zweite E-Schulbuch von den Stuttgartern. Umsätze generiert Klett damit allerdings noch nicht: die digitalisierte Version kann jeder fünf Jahre kostenlos nutzen, der die gedruckte Form bereits besitzt. Noch bis zum Jahresende soll das so bleiben. Bis dahin werden verschiedene Bezahlmodelle diskutiert, und es ist laut Zimmermann nicht ausgeschlossen, dass es bis auf Weiteres beim kostenlosen Kombimodell bleibt.

Die Realität in den Klassenzimmern hinkt dem Tempo der Schulbuchverlage ohnehin massiv hinterher: In Deutschland sei eine Ausstattung mit den Whiteboards genannten digitalen Tafeln und Computern bei Weitem nicht flächendeckend, und in keinem Bundesland gebe es zurzeit eine durchgängige Linie, welche Schultypen als digitale Vorreiter fungieren sollen, klagte Zimmermann. Klett jedenfalls fühlt sich gerüstet, falls sich das ändern sollte – egal, mit welcher Technologie: „Anywhere, anytime, any device“ (überall, jederzeit, auf jedem Gerät), ein beliebtes IT-Schlagwort, sei das Motto für die Digitalisierung bei Klett.

Der Schulbuchmarkt war allerdings nicht allein verantwortlich für die Umsatzrückgänge der Klett-Gruppe im vergangenen Jahr. Insgesamt ging der Umsatz der Gruppe um zwei Prozent auf rund 447 Millionen Euro zurück. Ein Teil davon resultierte auch aus Verkäufen von Töchtern: so trennte sich Klett vom Berliner Zeitschriftenverlag Friedrich („Opernwelt“, „Theater heute“) und von der Führungskräfteakademie Forum Institut Heidelberg. Beide hätten mit ihrem Angebot nicht mehr zur Gruppe gepasst, sagte Zimmermann.

Ganz offenbar auch für das Unternehmen selbst überraschend gut hat sich hingegen der Publikumsverlag Klett-Cotta geschlagen. Durchaus absehbar war der Erfolg von J. R. R. Tolkiens „Der kleine Hobbit“ im Jahr der Verfilmung, doch auch andere Titel schafften es auf die Bestsellerlisten: Beispielsweise die Fantasytitel von Patrick Rothfuß, das hochaktuelle Sachbuch „Schulden“ von David Graeber oder die Islamgeschichte „Im Schatten des Schwertes“ von Tom Holland. Klett-Cotta habe ein „gutes verlegerisches Händchen“ gehabt, lobte der Finanzchef. Um sechs Millionen Euro wuchs der Umsatz des relativ überschaubaren Verlages 2012 – gemeinsam mit den Kinderbuchverlagen Esslinger und Klett Kinderbuch sowie dem Paderborner Junfermann-Verlag zeichnete der seit 1977 zur Gruppe gehörige Verlag für rund 20 Millionen Euro Erlöse verantwortlich.

Dass Zimmermanns Behauptung, der Konzern habe mit den Schwierigkeiten auf dem Schulbuchmarkt gerechnet, keine hohlen Phrasen sind, zeigt sich seit Jahren am Umbau der Gruppe. Sukzessive hat sich Klett vom Schulbuchverlag mit Außenwerbung zum Bildungskonzern gewandelt, der neben Publikumsverlagen wie Klett-Cotta vor allem Bildungsdienstleistungen für Erwachsene, in den letzten Jahren verstärkt auch für Kinder, anbietet. Das Portfolio reicht mittlerweile von der Kinderkrippe bis zur Fernfachhochschule.

In diesem Jahr sollen unter anderem eine Schule und eine Kindertagesstätte hinzukommen, die Klett für den Balinger Konzern Grosz-Beckert betreibt. Der Textilnadelhersteller will damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern und so dem Fachkräftemangel begegnen, aber auch technisches Interesse bei Kindern wecken. Da Klett seine Schulaktivitäten zumeist mit Partnern wie etwa der Schweizer Kaleidos-Gruppe umsetzt, an denen die Stuttgarter in der Regel maximal Minderheitsbeteiligungen halten, gehen die entsprechenden Erlöse nicht in die Bilanz ein. Ändern wird sich das in diesem Jahr allerdings bei den Seepferdchen-Krippen, wo Klett im März alle Anteile des Joint Ventures übernommen hat. Auch Klett profitiert vom neu eingeführten Recht auf Kleinkindbetreuung in Deutschland und eröffnet demnächst zwei neue Einrichtungen in Ostfildern und Ludwigsburg. Zehn Seepferdchen Kinderkrippen gibt es bereits in Bayern und Baden-Württemberg.