Kreativ, chaotisch, poppig: Rund 900 Studenten der Stuttgarter Kunstakademie präsentieren am Weißenhof ihre Arbeiten. Das Semesterprojekt war ein fiktiver Thermalpark mit Schwitzbädern und ironischem Wellnessangebot.

Stuttgart - Saunabesuche sind gesund, Knoblauch ist gesund. Eine Sauna in Form einer Knoblauchzwiebel müsste demnach doppelt gesund sein. Von diesem Gedanken angehaucht war offenbar auch ein Entwurf der Architektur- und Glaskunststudenten an Stuttgarts Kunstakademie. Als gemeinsames Semesterprojekt planten sie einen fiktiven Thermalpark mit biomorphen Knollenhäuschen, in denen sich Schwitzbäder verbergen. Vom ironischen Wellnessangebot bis zur Bondage-Performance – was uns beim diesjährigen Rundgang am Weißenhof erwartet, scheint sich auffällig oft mit Lifestyle- und Körperfragen zu beschäftigen.

 

Am Freitagabend wurde die traditionelle kurze Sommerausstellung der Stuttgarter Akademie eröffnet. Rund neunhundert angehende Künstler und Gestalter bitten zum Parcours durch Klassenräume, Flure und Ateliers. Ob sich bei all dem schon ein kommender Kunsttrend abzeichnet? Das muss man mal sehen.

Immer wieder überraschend: ein Besuch bei Christian Jankowski. Die Schützlinge des Professorenstars haben nicht nur Vorträge über die Herstellung von Seife im Programm, sondern stellen auch eine musikalisch umrahmte Modenschau auf die Beine, um Selbstgeschneidertes mit aufgedruckten Künstlernamen zu präsentieren.

Wo die Farbbeutel fliegen

Besonders kreativ-chaotisch geht es diesmal bei Andreas Opiolka zu, wo ein Video in Echtzeit dokumentiert, wie achtzehn Nachwuchskünstler eine Wand umgestalten. Der eine schreibt „Öl auf Leinwand“ an die Mauer, andere laufen mit einem Spiegel durchs Bild oder hängen artig Zeichnungen auf, bis am Ende so wild die Farbbeutel fliegen, dass die aufgehängten Papiere wieder herunterfallen. Einen sanfteren Umgang mit Kunst praktizieren dagegen die Restauratoren, die aktuelle Techniken ihres Fachs an ausgewählten Objekten vorführen.

Allen experimentellen Abbrucharbeiten am herkömmlichen Gattungsbegriff zum Trotz: die Malerei lebt. Zum Beispiel in der Klasse von Peter Chevalier. Dort fällt neben Markus Hellers poppigem Cross-over von Graffiti- und Cartoonfragmenten auch Jan Jansen mit seinem an Edward Hopper erinnernden Stimmungsbild eines traurigen Kiosks auf. Körperbetont und deftig schwingt man indes bei Cordula Güdemann den Pinsel. Auf den Gemälden von Nina Bergold baumeln buddhaähnliche Riesenbabys im Raum, während Agnes Mrowiec augenlose Gesichter in maritimes Grünblau setzt und Anna Huxel die rot-roten Flächen so expressiv brennen lässt, dass mancher sich vermutlich an die 80er erinnert fühlt. Aber: „Abstraktion und Gegenstand stehen in einem viel komplexeren Verhältnis zueinander als bei den Neuen Wilden“, verteidigt Güdemann ihre Eleven. So viel zu kommenden Kunsttrends. Angesagt ist alles, was anders ist.