Egal ob Dienstplangestaltung, Wegezeiten, Dienstkleidung oder Überstunden – Bei der SSB knirscht es zwischen dem Vorstand und dem Betriebsrat. In viele Konflikte sind Anwälte eingeschaltet.

Stuttgart - Die Kluft zwischen dem Betriebsrat der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) AG und dem Vorstand, in erster Linie der Personalchefin Sabine Groner-Weber, wird immer tiefer. Meinungsaustausch findet in erster Linie mit anwaltlicher Begleitung statt. Die Zeit des Einvernehmens scheint vorbei: Kürzlich hat die Arbeitnehmerseite durchgesetzt, dass im gut gebuchten SSB-Veranstaltungszentrum Waldaupark in Degerloch vorübergehend die Öffnungszeiten eingeschränkt wurden, weil Köche wegen Personalmangels offenbar bis zu 72 Wochenstunden arbeiteten. Im aktuellen „BR-Blättle“ wird das Verhalten des Vorstands gegenüber dem Betriebsrat als „nicht ausgeprägt zuverlässig“ bezeichnet, die „vertrauensvolle Zusammenarbeit in Frage stellt“.

 

Unlängst am Arbeitsgericht geäußerte Kritik zeugt von tiefem gegenseitigen Misstrauen. Der Betriebsratsvorsitzende Klaus Felsmann erinnerte an die Zeiten vor der Einstellung der im Herbst 2015 zur SSB gewechselten Sabine Groner-Weber, in denen der Vorstand weniger Wert auf Formalitäten als auf pragmatische Lösungen gelegt habe. Die Anwältin der Arbeitgeberseite verwies auf 90 Beschlussverfahren seit Anfang 2015 – die nahezu ausschließlich vom Betriebsrat initiiert wurden.

Betriebsrat sagt, er könnte viel öfter klagen

Diese Feststellung kontert die Arbeitnehmerseite mit dem Hinweis, allein die Hälfte der Verfahren sei nötig gewesen, damit ihr Anwalt sein Honorar ausbezahlt bekommen habe. Wäre man nicht in erster Linie an einem reibungslosen Betrieb interessiert und würde seit vielen Jahren so manche Kröte schlucken, „könnten wir jeden Tag klagen“.

Anlass der Verhandlung vor dem Arbeitsgericht war übrigens die Beschwerde des Betriebsrats, sein Personalausschuss sei im Sommer 2016 bei der bundesweit Aufmerksamkeit erregenden Gehaltskürzung der freigestellten Betriebsräte nicht eingebunden gewesen. Das Gericht widersprach allerdings mit der Begründung, das Gremium habe die Einspruchsfrist versäumt. In den nächsten Monaten stehen nun individuelle Verfahren an, in denen die Betriebsräte Felsmann, Hafenbrack, Asmus sowie der Schwerbehindertenbeauftragte Hoepfner deutlich machen wollen, dass ihre mit dem ehemaligen Arbeitsdirektor Bauer ausgehandelten Einstufungen korrekt gewesen seien.

Kritik an Dienstplänen

Noch kritischer erscheint der seit sieben Jahren schwelende Streit um die Arbeitsorganisation. Dem Vorstand wird vorgehalten, erst spät oder nachträglich um Genehmigung der Dienstpläne für Stadtbahn- und Busfahrer zu ersuchen. Einige Pläne seien sogar erst nach dem Plazet geändert worden. Die Umläufe für den regelmäßigen Verkehr und für Sonderverkehre (Baustellenbetrieb, Messe, VfB-Heimsspiele) sind nach Ansicht der Arbeitnehmerseite oft zu eng getaktet. Das führe in der Staustadt zu Stress im Betrieb, und bei Wenden bleibe oft keine Zeit, um zur Toilette zu gehen. Das gehe zu Lasten der Gesundheit.

Die Belegschaft wartet auch immer noch auf die Umsetzung des Beschlusses des Bundesarbeitsgerichts von 2015 zu den Wegezeiten. Demnach wird die in Dienstkleidung bewältigte Distanz zwischen der Umkleidekabine und den Haltestellen, in denen die Fahrzeuge übernommen und übergeben werden, nicht in der Freizeit, sondern während der Arbeitszeit zurückgelegt. Die Belegschaft wartet seitdem auf Nachzahlung – in der Summe rund drei Millionen Euro pro Jahr. 1200 Geltendmachungen und Leistungsklagen stellten ein erhebliches Drohpotenzial dar, heißt es in Belegschaftskreisen. Die vom Vorstand beklagten Folgen – mehr Personal, geringere Produktivität – beeindrucken den Betriebsrat so wenig wie die als Notlösung vorgenommene Kündigung der Betriebsvereinbarung zur Dienstkleidung. Die Stadt als Aufgabenträgerin verlangt allerdings, dass das Fahrpersonal Dienstkleidung trägt. Das soll auch Bestandteil der nächsten Direktvergabe sein.

Nur ein Einigungsstellenvorsitzender

Die Verhandlungen darüber, wie auch über die für aus Betriebsratssicht unannehmbare Forderung nach Einführung einer automatisierten Genehmigung von Fahrplänen, sind nach Meinung des Vorstands ohne Schlichter nicht zu lösen. Er hat deshalb eine Einigungsstelle angerufen. Aber nicht einmal in diesem Punkt war man sich einig. Die Arbeitnehmerseite scheiterte mit dem Versuch, die Themen zu splitten und die Ex-Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin und deren Ehemann als weitere Vorsitzende zu gewinnen.

Die Einsetzung der Stelle erfolgt am 20. September vor dem Landesarbeitsgericht. Das Unternehmen teilt mit, das Gesetz schreibe den Parteien Geheimhaltung vor, weshalb es sich nicht zu den Inhalten äußern könne. Der Betriebsrat rechnet nicht mit einem Spruch in der ersten Runde, hofft aber, dass der Vorsitzende neue Wege aufzeichnen kann. Vielleicht ergebe sich eine Lösung – dies soll am 16. Oktober in einem Gespräch mit dem Vorstand ausgelotet werden. Während der Betriebsrat bereit wäre, so lange zu tagen, „bis weißer Rauch aufsteigt“, seien die Direktoren nur vier Stunden verfügbar.