So richtig harmonisch ist die Eröffnung des Weindorfs in Stuttgart nicht verlaufen - Protestrufe und ein heftiger Regenguss sorgten für Störungen.

Stuttgart - Turbulent und nass – so ist der Auftakt des 35. Weindorfes gewesen, das am Mittwochabend im Innenhof des Alten Schlosses eröffnet worden ist. Zwar konnten die ersten Besucher gegen Nachmittag ihr Viertele noch bei strahlendem Sonnenschein genießen. Gegen Beginn der offiziellen Eröffnung am Abend zogen jedoch Wolken auf, und das nicht nur im meteorologischen Sinne. Wie im vergangenen Jahr haben Gegner von Stuttgart21 die Veranstaltung begleitet, um ihren Unmut bei Oberbürgermeister Wolfgang Schuster los zu werden, der mit Innenminister Reinhold Gall und Verkehrsminister Winfried Hermann zu den geladenen Gästen gehört hat. „Schuster weg“ hallte es lautstark über den Innenhof.

 

Mit Plakaten drängten sich an die 80 Projektgegner an die Absperrgitter im Hof, weitere standen vor den Toren des Alten Schlosses. Auch der plötzliche Wetterumschwung und die heftigen Regenschauer ließen die Demonstranten nicht verstummen. Während sich die Eröffnung um gut eine Stunde verzögerte und sich die Besucher unter den Arkaden drängten, standen sie weiter im Hof. „Ich bin auch gegen das Projekt“, äußerte sich eine ältere Dame, die sich mit anderen geladenen Gästen im Trockenen unterhielt. „Aber dieses Verhalten ist nicht in Ordnung.“

"Das könnte wieder passieren"

Bedenken, dass sich das Protest-Szenario vom vergangenen Jahr auch beim aktuellen Weindorf wiederholen könnte, äußerten die Veranstalter bereits vor der Eröffnung: „Das könnte wieder passieren“, sagte Axel Grau, der Geschäftsführer des Verkehrsvereins Pro Stuttgart am Nachmittag. Anlass waren Beiträge im Internet: Bereits seit einigen Tagen diskutierten dort Stuttgart-21-Gegner auf den Plattformen Facebook und Twitter, den Auftritt vom vergangenen Jahr zu wiederholen. Damals war es zu Protesten gekommen, weil Projektgegner ihre Wut über den an diesem Tag begonnenen Abriss des Nordflügels am Hauptbahnhof los werden wollten – Adressat war Wolfgang Schuster, der als Gast bei der Weindorf-Eröffnung war.

Mehr Sicherheitskräfte als 2010 waren deshalb bei der diesjährigen Feier vor Ort. „Wir sind doppelt und dreifach abgesichert“, sagte Grau. Nur mit Eintrittskarte kamen die Besucher in den bestuhlten Bereich – dahinter allerdings sammelten sich die Gegner im Hof. „Das ist öffentliches Gelände“, so Grau. Zwar könne man den Bereich räumen lassen. „Aber wir wollen die Situation nicht noch mehr aufheizen.“ Bewusst im Hintergrund hielten sich deshalb auch die zusätzlichen Sicherheitskräfte und Polizisten.

Minister Hermann bemüht sich vergeblich

Das Gespräch mit den Demonstranten suchte der anwesende Verkehrsminister Winfried Hermann – vergeblich. „Ich sollte vermitteln, doch sie haben mich nicht einmal ausreden lassen.“ Er distanzierte sich von den Vorgängen: „Ich habe niemanden herbestellt, die Demonstranten täten sich und der Veranstaltung einen Gefallen, wenn sie gingen“, sagte er. Es sei schade, dass das Weindorf als Plattform für den Protest genutzt werde, so Axel Grau. Pauschalisieren dürfe man allerdings nicht. „Das ist nur eine kleine Gruppe, die stören will. Viele Stuttgart-21-Gegner sehen so ein Verhalten kritisch.“ Oberbürgermeister Schuster richtete sich direkt an die Demonstranten. Er verstehe, dass unterschiedliche Standpunkte zum Bahnprojekt möglich seien, auch gebe es ein Demonstrationsrecht. „Aber Sie haben kein Recht, andere anzupöbeln und sich so zu benehmen.“

Bereits am Nachmittag äußerte er sich auf Anfrage zu den Vorfällen im vergangenen Jahr: Damals war Schusters Reaktion auf den Protest kritisiert worden, weil er keine Stellung zu den Abrissarbeiten bezogen hatte. Erst kurz vor der Eröffnung habe er davon erfahren und sich keinem Protest, sondern Pöbeleien gegenüber gesehen, so der OB. „In diesem Moment gab es keine Dialogmöglichkeit für mich.“ Er hofft auf eine befriedende Wirkung des 35. Weindorfes. „Wein macht kommunikativ. Mein Wunsch ist, dass sich die Menschen wieder zwanglos begegnen.“ Friedlich ging zumindest die Eröffnung zu Ende: Die geladenen Gäste huschten durch den Hinterausgang.

Öffnungszeiten: Das Stuttgarter Weindorf ist bis zum Sonntag, 4.September, auf dem Schillerplatz, in der Kirchstraße und auf dem Marktplatz zu Gast. Das Fest ist täglich von 11 bis 23 Uhr durchgehend geöffnet, donnerstags, freitags und samstags können die Weindorf-Besucher eine Stunde länger bis 24 Uhr in den Lauben verweilen.

Besonderheiten: Zur 35. Auflage gibt es mehrere Neuerungen auf dem Weindorf. So schenken die Wirte den Wein außer in traditionellen Henkelgläsern jetzt auch in edlen Stielgläsern aus. Die Weindorf-App können sich iPhone-Besitzer herunterladen und sich vorab über Speisekarten, Weinspezialitäten und die Standorte der Lauben informieren.

Anreise: Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist das Weindorf gut erreichbar. Nahe gelegene Stadtbahnhaltestellen sind Charlottenplatz, Rathaus und Schlossplatz. Die nächsten S-Bahnhaltestellen sind Hauptbahnhof und Stadtmitte. Der Fahrschein gilt an Sonntagen auch als Gutschein bei der Viertele-Aktion, bei der es einen Euro Rabatt gibt.