14 Jahre lang hat Juliane Hansen im „Under-Cover“ im Gerberviertel Krimileser beraten. Im Interview erklärt sie, warum sie Ende März den Laden aufgibt.

Stuttgart - Als 1999 Stuttgarts erste und einzige Krimibuchhandlung Under-Cover im Gerberviertel eröffnete, waren die großen Buchkaufhausketten die Angstgegner der mittelständischen Buchhandlungen. Spezialbuchhandlungen in der Nische aber, mit kompetenter Beratung und enger Kundenbindung, müssten sich keine Sorgen um ihren Bestand zu machen, hieß es damals in der Branche. Mittlerweile schrumpfen die Buchkaufhausketten wieder, unter dem Druck der Online-Konkurrenz. Aber auch Juliane Hansen, Gründerin und Inhaberin von Under-Cover, kann in ihrer Nische nicht mehr existieren.

 



Frau Hansen, Ende März schließen Sie Stuttgarts einzige Krimibuchhandlung. Warum?
Schlicht und einfach, weil „Under-Cover“ sich selbst nicht mehr tragen und mich nicht mehr ernähren kann. Es besteht auch keine Hoffnung mehr auf Besserung.

Krimi boomt doch noch immer. Macht sich die Abwanderung zum E-Book schon so dramatisch bemerkbar?
Vom Boom – ich mag den Begriff übrigens nicht besonders – hat mein Laden nie besonders profitiert. „Under-Cover“ habe ich 1999 eröffnet, und seitdem sind die Umsätze nie gestiegen, sondern beständig zurückgegangen. Seit drei Jahren sinken sie aber in nicht mehr tragbarem Maße. In dieser Zeit ging es sehr steil bergab.

Sind auch Sie ein Opfer der oft als überhöht beklagten Stuttgarter Ladenmieten?
Meine Miete ist eigentlich gar nicht überhöht. Die Lage im Gerberviertel, wo „Under-Cover“ liegt, wird aber unter anderem durch Bauarbeiten und das Fehlen eines Förderungskonzeptes immer schlimmer. Die Stadt Stuttgart legt keinen Wert mehr auf inhabergeführten Einzelhandel. Davon können Sie sich bei einem Gang durch die Innenstadt überzeugen.

Könnten Sie anderswo weiter machen, in besserer Lage bei ebenfalls moderater Miete?
Ich habe mir das lange überlegt. Und bin jetzt zur Überzeugung gekommen: Nein. Auch meine Kundschaft ist zum großen Fluss gegangen. Die Leute kaufen bei Amazon und überlegen sich gar nicht, was sie den kleinen Ladengeschäften damit antun.

Sollte nicht gerade eine Krimibuchhandlung das Musterbeispiel für ein erfolgreiches Nischendasein abgeben? Der Markt ist enorm unübersichtlich und verwuchert immer mehr. Da müsste doch persönliche Beratung die Online-Datenbank ausstechen?
Erstaunlicherweise haben manche Leute sich zwar die Bücher im Laden gerne angesehen, aber gekauft haben sie dann online. Und nicht in meinem eigenen Online-Shop, dessen Umsätze minimal waren. Es gab sogar Kunden, die sich ausführlich beraten ließen, um dann heimzugehen und bei Amazon zu bestellen – und die mir das auch noch erzählten.

Beim stationären Einzelhandel die Beratung abzugreifen und dann bei Onlinehändlern den billigsten Preis zu suchen, ist zwar weit verbreitet. Aber dank der Buchpreisbindung ergibt das doch bei Büchern überhaupt keinen Sinn?
Ich kann Ihnen das auch nicht erklären. Aber neulich war eine Kundin im Laden, die hat sich auch sehr ausführlich beraten lassen, und am Ende hatte ich das wohl absolut richtige Buch für sie gefunden. Da hat sie dann gestrahlt und mir versichert, wie sehr sie das freue, dass ich dieses Buch nun auch empfehle – sie habe es sich gerade bei Hugendubel gekauft.

Das klingt tatsächlich so, als sei das E-Book gar nicht mehr nötig gewesen, um „Under-Cover“ in Not zu bringen.
Nein. Wobei man schon sagen muss, dass die Zuständigen in den Verbänden das E-Buch wirklich verschlafen haben. Der Versuch, es in den Buchhandel zu integrieren, ist völlig gescheitert. Auch wenn es einige wenige Buchhandlungen gibt, deren Kunden E-Bücher über den Laden beziehen, der dafür dann eine sehr kleine Provision bekommt. Aber Stuttgarts Krimileser kaufen Gedrucktes in der Mehrheit lieber online oder in der Großbuchhandlung, auch solche, die immer wieder geschwärmt haben, wie prima es sei, dass es das „Under-Cover“ gäbe und wie gern sie im Laden stöberten. Das wird in den nächsten Wochen bis zum Aufhören das Bitterste werden: von Leuten, die nicht zum Kaufen in den Laden kamen, versichert zu bekommen, wie schade es sei, dass ich aufgeben müsse.
Das Gespräch führte Thomas Klingenmaier