Espresso im Freien? Kein Problem in diesem November. Der gefühlte Kotzbrocken unter den Monaten präsentierte sich 2015 ungewöhnlich warm und sonnig. Allerdings auch mit einem Rekordregen.

Stuttgart - November? Genau, da war früher doch mal was. Der Himmel meist in einem tristen Dauergrau, dazu ein ruppiger Wind, Regen von oben, Spritzwasser von unten, und so richtig hell wurde es meistens auch nicht. In einem normalen November verkaufen die Apotheken tonnenweise Johanniskraut zur Aufhellung der Stimmung und allerlei Erkältungsmedizin. Wer kann, der zieht wie die Vögel Richtung Süden oder wenigstens ins Sonnenstudio. Dazu schluckt der Mensch das lichtabhängige Vitamin D, hört „November Rain“ von Guns  N’  Roses und hat wenig Mitleid mit den zu St. Martin geköpften Gänsen. Bei dem Sauwetter ist der unvermeidliche Metzgersgang halb so schlimm.

 

21 Grad am 8. November

Kurzum, der November ist so etwas wie der gefühlte Kotzbrocken im Kalender. Nass, trist und das tröstlich-warm ausgeleuchtete Weihnachten noch weit. Zumindest normalerweise. In diesem Jahr war es freilich anders. Ganz anders. Der November 2015 ging in Stuttgart mit satten 3,7 Grad wärmer als im Durchschnitt aus dem Rennen. Zwischen dem 4. und dem 20. gab es eine regelrechte Wärmeperiode. Mit dem Höhepunkt am 8. November. Exakt 21 Grad wurden da an  der Wetterstation Schnarrenberg gemessen. Damit verfehlte dieser gefühlte Spätsommersonntag den Allzeitrekord nur um 0,4 Grad. Die Rekordmarke 21,4 Grad wurde am 1. November 1968 aufgestellt. Insgesamt war der November 2015 mit einer Durchschnittstemperatur von 8,4 Grad der zweitwärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1951. Noch wärmer war es nur 1994 mit 9,1 Grad im Schnitt. Die späte Milde war auf jeden Fall gut fürs Gemüt, und man hörte in den Straßencafés schon erste Stimmen, dass es ruhig mal wieder regnen dürfe.

Wohl wahr. Bis zum 18. November fiel mit Ausnahme des 13. Novembers so gut wie überhaupt kein Niederschlag. Staubtrocken war’s, das Laub klebte nicht wie sonst besenbockig am Boden, sondern flog munter durch die Luft, wehte flatternd in Dachrinnen, in die Gebläseschlitze der Autos und auch sonst überall hin. Besitzer von PS-starken Laubbläsern, zusammen mit Sitzmähern die Statussymbole gärtnernder Männer, zauberten mit brüllender Entschlossenheit wunderbare Choreografien tanzender Blätter in die laue Luft. Der einzige Nachteil – man brauchte wegen des trockenen und fluffigen Laubs doppelt so viele Abfallsäcke wie sonst.

Es hat geschüttet wie im Sommer

Aber dann kam das ersehnte Wasser. Und wie. „Noch nie hat es an einem Novembertag in Stuttgart so viel geregnet wie am 20. November“, sagt dazu Klaus Riedl vom Deutschen Wetterdienst. Für den langgedienten Meteorologen war dieser Tag doch sehr ungewöhnlich. 44,6 Liter Regen kamen in 24 Stunden zusammen. „Es hat an diesem Tag geschüttet, wie wir es eigentlich nur aus dem Sommer kennen“, sagt Klaus Riedl. Zusammen mit den 14,8 Litern am Tag zuvor reichte der Rekordregen, um eine sehr lange Trockenperiode zu beenden und den November mit 160 Prozent über den langjährigen Niederschlagsdurchschnitt zu hieven.

Die Wasserbilanz für 2015 können die zwei Regentage aber nicht mehr retten. Bisher fielen etwa 470 Liter, gut 200 weniger als in einem normalen Jahr. „Und der Dezember bringt im Schnitt nur noch etwa 50 Liter“, erklärt Klaus Riedl. Fazit: der November 2015 war zu warm, durch die zwei Regentage auch zu nass, aber mit 78,3 Sonnenstunden auch ziemlich freundlich.

Der Depri-Monat ist also überstanden, jetzt kommt Weihnachten. Weiße Feiertage, Herr Riedl? Aber da zuckt der Meteorologe mit den Schultern. Zu früh für eine Prognose. Eines ist ihm aber zu entlocken. „Wundern würde es mich nicht.“