Der Architekt Manuel Herz baut exklusive Wohnhäuser ebenso wie Gebäude für den sozialen Wohnungsbau. Die aktuelle Wohnungsnot macht für ihn ein generelles Versäumnis von Investoren, Architekten und Stadtplanern deutlich.

Familie/Bildung/Soziales: Hilke Lorenz (ilo)

Stuttgart - Was haben der Westsahara-Pavillon der Architekturbiennale, städtische Flüchtlingswohnheime und das Arthron-Wohngebäude in Köln miteinander zu tun? „Alle finden im gleichen Kopf statt“, sagt Manuel Herz, wenn man ihn auf seine ganz unterschiedlichen Bauprojekte anspricht. In Köln und Basel betreibt er Architekturbüros. Seine Projekte sind über viele Länder verstreut und in ganz unterschiedlichen sozialen Kontexten angesiedelt. Im Züricher Seefeld-Viertel, so der 47-Jährige gebürtige Düsseldorfer, baue er in einem der teuersten Innenstadtquartiere, in Frankreich im sozialen Wohnungsbau. In Stuttgart plant er gerade ein städtisches Gebäude gleich neben dem Tagblattturm. Ungern lässt Herz sich festlegen, er will sich nicht in Klischees oder Banalitäten ergehen.

 

Er plant die neue Mainzer Synagogen ebenso wie Wohnhäuser

2010 hat der Sohn einer Israelin und eines Schweden, der lange keinen deutschen Pass wollte, den Bau der Neuen Synagoge in Mainz samt Gemeindezentrum nach mehrjähriger Planungszeit zu Ende bringen können. Ein Bau, der in der Mainzer Innenstadt liegt. Herz konzipierte ihn nicht in devot zurückgenommener Bauweise. Er geht an die Grundstückgrenzen, um Begegnung möglich und das Gebäude öffentlich nutzbar zu machen und wählt eine auffällige rippenartige Fassade. Aber auch hier scheut er die Festlegung. „Auch ein nicht jüdischer Architekt kann eine Synagoge bauen“, sagt er.

Herz, der in Aachen und London studiert, in London, Rotterdam und Cambridge gelehrt, im Büro von Daniel Libeskind gearbeitet hat und von den Architekturgranden Jacques Herzog und Pierre de Meuron in die Schweiz geholt wurde, stellt Grenzen und Gewissheiten offenbar gerne in Frage. Seine Studenten hat er in seiner Zeit an der ETH Zürich ein Parlamentsgebäude nach der von ihm erwünschten Wiedervereinigung der Kantone Basel-Land und Basel-Stadt planen lassen. Seit 2015 ist Herz Professor an dem neu gegründeten „Institute for urban and landscape studies“ der Universität Basel.

Architekur ist eine politische Disziplin

Da Herz Architektur für eine politische Disziplin hält, hofft er mit dem Blick des Gestaltenden einige der Vorurteile etwa gegenüber Flüchtlingslagern hinterfragen zu können. In der Westsahara, im Tschad und in Kenia hat er sie vor zehn Jahren aus eigener Anschauung kennengelernt. Die Vorstellung, sie als Orte zu sehen, an denen Flüchtlinge nur ein sehr unselbstständiges Leben als passive Hilfsempfänger führen können, will er aufbrechen, wenn nicht sogar durch seine Vorschläge verändern. Was wäre, fragt er provokativ, wenn das erste Gebäude auf dem Gleisfeld des Bauprojekts Stuttgart 21 ein Wohngebäude für Flüchtlinge wäre? Die Antwort macht die Herangehensweise Herz’ deutlich. Dann wären die Menschen kein Fremdkörper, sondern als Erstbewohner so etwas wie urbane Pioniere – und nicht mehr wegzudenken.

Teilhabe ist deshalb auch das große Thema seiner Idee von der idealen Flüchtlingsunterkunft. Städtebau sendet mit den Entscheidungen für bestimmte Standorte Signale an die Gesellschaft, ist Herz überzeugt. Der Standort gleich neben dem Gefängnis, wie das in Basel der Fall ist, rücke Flüchtlinge nicht nur an den Rand, er rücke sie auch in die Nähe von Verbrechern.

Allzu viel Regeln behindern flexibles Bauen

Welche Konsequenzen leitet Herz daraus für das Handeln auf kommunaler Ebene ab? Studenten, Flüchtlinge und andere Wohnungssuchende, so ist er überzeugt, unterscheiden sich in den Ansprüchen an ihre Bleibe kaum. In Zeiten allgemeiner Wohnungsnot liege darin die Chance zu einem – wenn auch viel zu späten – Umdenken hin zu anderen Wohnformen. Denn für das gemeinsame Wohnen der Generationen und Nationalitäten werde viel zu wenig gebaut. Herz sieht die Versäumnisse bei Architekten, Investoren und Stadtplanern gleichermaßen. „Die Entwicklung sei nicht überraschend gekommen, sagt er selbstkritisch. „Wir sind zu unflexibel“, sagt er aber auch mit Blick auf die Bauvorschriften, deren Umsetzung nicht zwangsläufig mit Qualität einhergehe, das Bauen aber in die Länge ziehe. Da ist er wieder ganz der Architekt, dem es um gute Planung geht.