Abheben und über den Wolken fliegen zu können ist für viele eine Faszination, der Beruf des Piloten ist spannend und aufregend. Bei der StZ-Sommerferienaktion hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, selber Hand ans Steuerhorn einer 737 zu legen.

Stuttgart - Den Anflug hat Sebastian Schorr schon viele Male durchgespielt. Er weiß, worauf er achten muss, welche Situationen für ihn und die Passagiere gefährlich sein könnten und warum der Anflug auf den ehemaligen Flughafen Kai Tak in Hongkong auch unter erfahrenen Piloten als besonders anspruchsvoll gilt. Bis früh in die Morgenstunden hat der heute 20-Jährige als Teenager vor seinem Computerbildschirm gesessen und auf dem Flugsimulator im Kinderzimmer als Pilot die Flughäfen der Welt besucht. Sein erstes Modellflugzeug hat er als Kleinkind geschenkt bekommen – das war der Moment, als ihn die Faszination Fliegen packte, sagt er heute. Genau wie ein Großteil der neun weiteren Teilnehmer der StZ-Ferienaktion hat Sebastian Schorr eine besondere Affinität zum Luftverkehr.

 

Im zweiten Stock in einem unauffälligen Gebäude in Filderstadt hat Andreas Wolf vor vier Jahren das Cockpit einer Boeing 737 nachbauen lassen. Alle Knöpfe, alle Schalter, alle Hebel sind mit aller Liebe zum Detail genauestens nachgebildet. Sechs Monate hat es gedauert, bis jedes Kabel richtig verbunden war, damit beim Drücken der Knöpfe die richtige Reaktion folgt. Zuvor hatte sich ein Konstrukteur insgesamt vier Jahre darüber Gedanken gemacht, wie alles richtig funktionieren könnte. Dabei gibt es in dem nachgebauten Cockpit nur zwei Dinge, die original einer Boeing entstammen: das Steuerhorn und die Sitze. Der Flugfunk, das Blinken der zahlreichen Knöpfe und die Enge des Cockpits tut sein übriges dafür, dass die Besucher schnell vergessen, dass sie gar nicht in einem richtigen Flugzeug und Cockpit sitzen, sondern einfach nur einen sehr guten Nachbau betreten haben.

Auf dem Simulator sind 25000 Flughäfen gespeichert

Die 230 Grad Kulisse, auf die die Probe-Piloten aus den Cockpit-Scheiben schauen, vermittelt die perfekte Illusion. Der Horizont verschiebt sich und obwohl sich der Simulator nicht bewegt, vermittelt sich sehr schnell Eindruck, dass man abgehoben und verantwortlich für eine sichere Landung ist. 25 000 Zielflughäfen hat der Simulator gespeichert, die von den Piloten auf Zeit angeflogen werden können. Für die meisten Teilnehmer der Sommerferienaktion gibt es an diesem Tag einen 15-minütigen Rundflug über die Landeshauptstadt. Sie alle nehmen auf dem Pilotensitz Platz – haben aber zur Sicherheit eine Co-Pilotin an ihrer Seite, die gerne aushilft und Anweisungen zur Steuerung gibt.

Obwohl Sebastian Schurr schon zu Hause viel geübt hat, ist er dennoch auf die Hilfestellungen der Co-Pilotin angewiesen. „Das ist doch etwas ganz anderes als in meinem Zimmer am PC mit Maus und Tastatur“, sagt Schurr. Seine Mutter, Rita Schurr, hat sich gegen den Anflug auf Hongkong und für den einfacheren Ab- und Anflug auf den Stuttgarter Flughafen entschieden. 15 Minuten fliegt sie über den virtuellen Luftraum der Landeshauptstadt und gibt danach gerne zu, dass sie weniger selbst gesteuert hat, als vielmehr hat fliegen lassen. „Aber so konnte ich einen Rundflug über die Stadt genießen“, sagt sie, als sie aus dem Cockpit kriecht, „das macht man ja auch sehr selten.“ Auch der Blick in das Hoheitsgebiet der Piloten hat sie fasziniert: „Da kommt man ja mittlerweile als Passagier gar nicht mehr hin.“

Schon viel auf dem heimischen Simulator geübt

Wahre Flugzeugexperten sind die beiden Freunde Lukas und Balraj mittlerweile – allerdings kennen sie sich mehr mit den verschiedenen Formen und Ausführungen denn mit dem Interior aus. Die beiden 14-Jährigen sind sogenannte Spotter. Sie verbringen fast ihre komplette Freizeit damit, an Flughäfen die ankommenden und abfliegenden Flugzeuge zu beobachten und zu fotografieren. „Fliegen ist meine Leidenschaft“, sagt Lukas, dessen Onkel Lufthansa-Pilot ist. Mit vier ist er das erste Mal geflogen, seit seinem neunten Lebensjahr hat er auf dem heimischen PC einen Flugsimulator installiert. Sein Lieblingsflugzeug ist die Boeing 777, die sei nämlich „schön groß“ – im Siminn wird er an diesem Tag nur die 737 fliegen dürfen.

Trotzdem: Es ist für Lukas und Balraj ein ganz besonderer Höhepunkt ihrer Ferien. Am nächsten Tag werden sie wieder von morgens bis abends am Frankfurter Flughafen stehen und Flieger beobachten. „In den Ferien starten die ganzen Großen“, sagt Lukas. Auch Sebastian Schurr hat den Anflug auf Hongkong ohne große Schäden gemeistert. Als er aus dem Cockpit kommt, schüttelt er seiner Co-Pilotin die Hand und sagt: „Das war das Schönste, was ich jemals gemacht habe!“

Der Flugsimulator Siminn

Simulator
Die Firma Siminn stellt zwei Flugsimulatoren zur Verfügung: Zum einen den Full Motion Simulator, der einer Cessna 172 nachempfunden ist und sich auch bewegt. Zum anderen ist das Cockpit einer B737 nachgebaut, das von einer 230-Grad-Projektionsfläche umgeben ist, sich aber nicht bewegt.

Flug
Eine Simulation dauert insgesamt rund eineinhalb Stunden. Zunächst bekommt der Simulationspilot eine etwa 20-minütige Einführung, der Simulationsflug im Cockpit dauert dann rund eine Stunde. Im Anschluss gibt es eine kurze Nachbesprechung.