Alkohol bleibt die Volksdroge Nummer eins, Cannabis ist bei der Jugend verbreitet. Insgesamt ist die Lage stabil. Das sind die Hauptaussagen des Suchtberichts der Stuttgarter Beratungsstellen.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Das Thema Sucht und Drogen bleibt ein gesellschaftliches Problem, immerhin sieht es aber nicht danach aus, dass sich die Lage verschärft. So haben die Träger der Suchthilfe in Stuttgart im vergangenen Jahr gut 4500 Betroffene und Angehörige betreut – ähnlich viele wie im Jahr zuvor. Hauptproblem ist nach wie vor der Umgang mit dem Alkohol, mit dem 38 Prozent der Klienten kämpfen. Ein Drittel der Menschen, die eine Suchtberatungsstelle aufsuchen, haben ein Problem mit illegalen Substanzen. Allen voran ist hier Cannabis zu nennen (Anteil: 14,7 Prozent), das vor allem von jungen Leuten konsumiert wird. Nach einer deutlichen Zunahme der Fälle im Jahr 2013, als das Plus bei den betreuten Kiffern noch 35 Prozent betrug (insgesamt 405), ist deren Zahl im Vorjahr praktisch gleich geblieben (399).

 

Cannabis ist vergleichsweise billig

Ulrich Binder, der Leiter der Drogenberatungsstelle Release, erklärte die große Verbreitung von Cannabis bei Jugendlichen unter anderem damit, dass dieses vergleichsweise billig sei und zudem heute auch hierzulande von vielen selbst angebaut werden könne. Dass die Zahlen im Jahr 2013 so stark gestiegen seien, habe damit zutun, dass die Polizei sich dieses Themas wieder verstärkt angenommen habe. Wer erstmals mit Cannabis erwischt wird, muss verpflichtend zur Drogenberatung.

Die Zahl der Drogentoten ist im vergangenen Jahr mit zwölf Opfern gleich geblieben wie im Jahr zuvor. Bei den Opiatabhängigen, die 15,1 Prozent der Betreuten ausmachen, ist eine positive Entwicklung festzustellen. So ist deren Durchschnittsalter im Vergleich zu den zehn Jahren davor von 32 auf 37 gestiegen. Das wird auf die laufenden Substitutionsprogramme zurückgeführt, durch welche die Süchtigen statt Heroin Methadon oder nun auch das synthetische Diamorphin verabreicht bekommen. So waren im Vorjahr 971 Personen in einem Substitutionsprogramm, von diesen werden knapp 700 psychosozial betreut.

Nach wie vor gibt es für diese Gruppe von Betroffenen zu wenige geförderte Arbeitsgelegenheiten, um so deren Reintegration zu verbessern. „Wir brauchen unbedingt mehr Angebote“, sagt Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer (FDP). Deshalb ist die Idee entstanden, im Keller des neuen Suchthilfezentrums an der Kriegsberg-straße, wo sich auch die neue Diamorphinabgabe befindet, Arbeitsgelegenheiten anzubieten. Ob der Gemeinderat die dafür nötigen 140 000 Euro in den Haushaltsberatungen bereitstellen wird, ist aber offen.

Mediensucht noch nicht anerkannt

Noch gar nicht als Suchtdiagnose anerkannt ist ein Übermaß an Medienkonsum. Trotzdem wurden im vergangenen Jahr in den Beratungsstellen insgesamt 66 Mediensüchtige und ihre Angehörigen betreut. Ein Dauerthema sind auch die Essstörungen, die in der Präventionsarbeit der Suchthilfeträger eine große Rolle spielen. Diesen und auch anderen Formen des Suchtverhaltens soll das Projekt „School-Life-Balance“ entgegenwirken, da Studien gezeigt haben, dass immer mehr Schüler wegen der Anforderungen in der Schule unter psychosomatischen Beschwerden leiden (38 Prozent der Mädchen und 21 Prozent der Jungs) und Schulstress nicht selten durch Alkoholkonsum, kiffen oder gestörtes Essverhalten zu kompensieren versuchen. Immerhin hat der exzessive Alkoholkonsum bei Jungen wie bei Mädchen in den letzten Jahren wieder merklich abgenommen, was sich am Rückgang der Krankenhauseinweisungen ablesen lässt. Diese Entwicklung wird auch auf die erfolgte Präventionsarbeit zurückgeführt.

In der Debatte setzten die Fraktionen unterschiedliche Schwerpunkte. Beate Bulle-Schmid (CDU) forderte vom Land, mehr für die Suchtprävention in der Schule zu tun, insbesondere müsse man zum Abbau von Schulstress „den Kindern in der Schule mehr beibringen, wie sie lernen sollen“. Petra Rühle von den Grünen zeigte sich erfreut, dass wenigstens die Alkoholexzesse junger Leute etwas zurückgehen. SPD-Stadtrat Hans-Peter Ehrlich war besorgt über die wachsenden Leistungserwartungen, die eine der Ursachen für Suchtverhalten sei. Ehrlich fragte sich: „Was ist bloß mit unserer Gesellschaft los?“ Laura Halding-Hoppenheit von SÖS-Linke-Plus war angesichts dieser Entwicklung unzufrieden darüber, dass wieder vermehrt über die Legalisierung von Cannabis debattiert wird. Heinrich Fiechtner von der AfD fragte, ob die positiven Entwicklungen in einigen Bereichen tatsächlich auf die Präventionsarbeit zurückzuführen seien.