Die Euphorie nach der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 ist in Südafrika längst verflogen. Der vom Weltverband Fifa vorausgesagte Boom ist ausgeblieben – was vor allem im Umgang mit den teuren Stadien große Probleme aufwirft.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Kapstadt - Er ist in der Stadt. Siphiwe Tshabalala, Südafrikas Fußballidol mit den langen Zöpfen. Einer, der sich rund um das Kap viel erlauben darf und dem noch mehr zugetraut wird. Er soll mit der Nationalelf das gute, alte Gefühl zurückbringen. Diese längst verflogene Euphorie, die er mit seinem Führungstor im WM-Eröffnungsspiel 2010 in Johannesburg beim 1:1 gegen Mexiko entfachte, die sich über das Gastgeberland ausbreitete – und nach der sich nun Patricia de Lille zurücksehnt.

 

Kapstadts Bürgermeisterin hat deshalb an die Einwohner appelliert, Trikots und T-Shirts in den Farben der teilnehmenden Länder bei der African-Nations-Championship zu tragen und sich an den Spielen zu erfreuen. Doch die verordnete gute Laune gibt es nicht. Der Fußballalltag in Südafrika ist grau, speziell im ansonsten bunten und regen Kapstadt. Zwar wird das gerade stattfindende Turnier von den Organisatoren als das zweitwichtigste auf dem Kontinent nach dem Afrikacup gepriesen, aber der sportliche Wert der Veranstaltung ist zweifelhaft. Und die Resonanz schwach.

Ohne Stars keine Zuschauer

Selbst Experten wissen nicht, was sie von einem Turnier halten sollen, in dem die Nationalmannschaften ohne ihre Legionäre antreten müssen und zu dem manche Verbände ihre Nachwuchsteams schicken. Keine Stars wie Didier Drogba oder Samuel Eto’o bedeuten in den afrikanischen Stadien so gut wie keine Anhänger. Weshalb sich Mvuzo Mbebe, der Chef des lokalen Organisationskomitees in Kapstadt, schon skeptisch geäußert hat. Ihn treibt die Sorge um, dass selbst die vorsichtig angesetzten Zuschauerzahlen verfehlt werden. „Wir erwarten bei den 16 Spielen in Kapstadt insgesamt 250 000 Besucher“, sagt Mbebe. Das wären knapp 16 000 pro Partie.

Ein Blick in das Cape Town Stadium bestätigt, dass die Leute nicht in die prächtige Stätte (ehemals Greenpoint Stadium) strömen, in der Deutschland im WM-Viertelfinale vor dreieinhalb Jahren Argentinien mit 4:0 besiegte. Etwa 20 000 waren zuletzt beim Eröffnungsspiel zwischen Südafrika und Mosambik (3:1). 50 000 hätten es sein sollen. Und wäre ein Großteil der singenden Bafana-Fans nicht im weiten Rund geblieben, dann hätten sich wohl gerade noch 5000 den folgenden 2:1-Sieg Malis gegen Nigeria angeschaut.

Heute tritt Südafrika gegen Mali an. Tabellarisch geht es dabei schon um den Gruppensieg bei der kleinen Afrikameisterschaft. Atmosphärisch ist jedoch trotz reduzierter Ticketpreise kein Umschwung zu erwarten. Auch ein Grund, warum viele Einheimische die Fußballarena einen weißen Elefanten nennen – als Synonym für ein nutzloses Großprojekt. 450 Millionen Euro hat der Bau gekostet, und es ist ein schöner weißer Elefant, der sich da zwischen Tafelberg und Tafelbucht erhebt.

„Der südafrikanische Fußball hat so eine Arena wie das Cape Town Stadium zuvor noch nie gesehen“, sagt Alexi Efstathiou. Er ist ein in Südafrika geborener Grieche und der Geschäftsführer von Ajax Cape Town, dem Hauptnutzer des ehemaligen Weltmeisterschaftsstadions. Doch über die Heimspiele des örtlichen Erstligisten hinaus, wissen sie in Kapstadt nicht so genau, was sie mit ihrem Monument aus dem Wintermärchen 2010 anfangen sollen.

Die Stadionkosten bringen die Stadt in Bedrängnis

Die Stadt versucht es als Betreiberin besser zu vermarkten. Mit Popkonzerten und Bewerbungen um Fußballevents. In Bürgerversammlungen wurden dagegen schon wütende Stimmen laut, das Ding endlich abzureißen. Doch das geht allein aus Prestigegründen nicht – auch wenn der Unterhalt die Stadt an den finanziellen Rand bringt und Ajax Cape Town unter der Mietlast stöhnt. Um die 50 Millionen Rand oder umgerechnet etwa 3,5 Millionen Euro muss die Stadt jährlich für das Stadion aufbringen. Geld, das sie mit Veranstaltungen bei Weitem nicht einnimmt.

Auch bei Ajax Cape Town trüben die Zahlen die Stimmung. Der Club, an dem Ajax Amsterdam 51 Prozent der Anteile hält und der Rest bei Investoren liegt, benötigt einen Zuschauerdurchschnitt zwischen 10 000 und 15 000, um die Stadionkosten einigermaßen zu decken. Regelmäßig kommt jedoch nur die Hälfte. „Wir müssen das Ganze wie ein Baby aufpäppeln“, sagt Efstathiou und berichtet über die intensivierte Zusammenarbeit mit der Stadt.

Gemeinsam wollen sie mehr europäische Clubs zu Trainingslagern an das Kap der guten Hoffnung locken. Wie den VfB Stuttgart, den der Ajax-Geschäftsführer in einer Pionierrolle sieht. „Durch den Kontakt mit Vereinen wie dem VfB werden wir insgesamt professioneller“, sagt Efsthatiou. Das bringe auch zusätzliche fußballerische Qualität in die Stadt. Nur dadurch, glaubt er, könne Kapstadt wieder ein Hauch WM-Flair umwehen – und der entwicklungsbedürftige südafrikanische Fußball dauerhaft auf starken Beinen stehen.