Seitdem klar ist, dass Martin Schulz Kanzlerkandidat der SPD werden soll, sehen sich die Genossen in Baden-Württemberg verstärkt im Aufwind. Binnen vier Tagen wurden 72 Neumitglieder gezählt. Und Landeschefin Leni Breymaier lobt nun Martin Schulz statt Sigmar Gabriel.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Wo bisher Niedergeschlagenheit vorherrschte, ist plötzlich Zuversicht spürbar – die SPD Baden-Württemberg ist doch nicht am Ende. Für den Trendwechsel stehen mehrere Figuren: Martin Schulz vor allem. Seitdem klar ist, dass er Kanzlerkandidat wird, hat die SPD 72 Neumitglieder aufgenommen. Der erste Neuzugang trat via Internet noch am Dienstagnachmittag um 16.33 Uhr ein.

 

Landeschefin Leni Breymaier, die sich in den vergangenen Wochen klar für Sigmar Gabriel als Merkel-Herausforderer ausgesprochen hatte, sagt nun über den Noch-Parteichef: „Gabriel hat es geschafft, nicht der allerbeliebteste Politiker der Bundesrepublik Deutschland zu sein.“ Und sie lobt Schulz: „Wir müssen neben dem Kopf der Menschen auch die Bäuche und Herzen ansprechen – das kann Martin Schulz besser als Sigmar Gabriel.“ Sie sieht Schulz – trotz seiner engen Brüsseler Kooperation mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker – auch nicht als ein Gesicht der großen Koalition, so dass der Wettbewerb mit der CDU pointierter werde als in den vergangenen Jahren. „Merkel hat keinen Plan, keine Vision für das Land – und kein Feuer.“ Schulz hingegen „brennt für die Menschen“. Ihre Generalsekretärin Luisa Boos ergänzt, Schulz sei mit seiner „klaren Kante gegen rechts“ und für ein soziales Europa besonders glaubwürdig.

Hoffen auf das erste echte Mitgliederplus seit Jahren

Breymaier und Boos sind nun seit 100 Tagen im Amt. Nach dem holprigen Start auf dem Landesparteitag in Heilbronn können sie einen dezent positiven Trend auf ihrem Konto verbuchen: Am Ende des Krisenjahres 2016 hatte die SPD 34 138 Mitglieder – nach 34 711 Ende 2015. So verlor die Partei wegen vieler Sterbefälle unterm Strich zwar noch 573 Genossen, doch wurde der Rückgang gegenüber den Vorjahren fast halbiert. Breymaier zeigt sich sogar „sehr zuversichtlich“, dass Ende 2017 im Saldo das erste Plus seit Langem erreicht wird. Dieses ehrgeizige Ziel wird wohl nur erreicht, wenn der Anti-Trump-Effekt anhält: Seit der Wahl des US-Präsidenten im Dezember zählte die Südwest-SPD 370 Neueintritte – quasi aus Protest gegen Rechtspopulismus und Nationalismus. „Da geht eine Politisierungswelle durch das Land“, sagt Breymaier. „Das finde ich großartig.“ Es gehe darum, dass die Gesellschaft nicht kulturell und sozial zerbreche. Notwendig für mehr Zulauf wäre auch eine erfolgreiche Bundestagswahl. Derzeit wird ein Leitantrag für den Parteitag am 11. März in Schwäbisch Gmünd erarbeitet, der den Erneuerungsprozess manifestieren soll. Die SPD plant einen „Gerechtigkeitswahlkampf“, bei dem man sich „auf drei bis fünf Themen“ beschränken will. Dazu wird eine Kampagne rund um Breymaier entworfen – eine „Ehrlichkeitsoffensive“ speziell in den sozialen Netzwerken, wie es heißt.

Liste für den Parteitag am 11. März in Vorbereitung

Am 11. März wird es vor allem aber um die Landesliste gehen. Eine „Findungskommission“ mit Breymaier, Katja Mast und Vertretern der vier Regierungsbezirke erarbeitet einen Vorschlag, der am 10. März im Landesvorstand beraten werden soll. Breymaier ist an Nummer eins praktisch gesetzt. Dann folgen im Reißverschlussverfahren die anderen Männer und Frauen – wer, das lässt Breymaier offen. Ihr Vorgänger Nils Schmid dürfte recht weit vorne landen. Breymaiers Ziel sind mindestens 20 Mandate. Das erscheint sehr ambitioniert, denn so viele Bundestagsabgeordnete hat die SPD bisher schon.