Sie überragt Grünen-Landeschef Chris Kühn fast um einen Kopf. Doch als landespolitischer Neuling wird Thekla Walker in der neuen Doppelspitze wohl erst einmal im Schatten des Parteilinken stehen. Bei der Wahl am Samstag erhielt das „Greenhorn“ - so wurde Walker beim Landesparteitag in Aaalen (Ostalbkreis) öfter genannt - 74,5 Prozent der Stimmen. „Ich werde mich reinknien“, hatte die selbstständige Naturpädagogin schon im Vorfeld versprochen.

 

Walker ist selbst bei den Grünen ein ziemlich unbeschriebenes Blatt und so etwas wie eine Notlösung. Die Stuttgarter Gemeinderätin wurde erst Mitte September als Kandidatin präsentiert. Der Realo-Flügel bei den Grünen war nach der Machtübernahme personell derart ausgezehrt, dass sich die Suche nach einer neuen Parteichefin schwierig gestaltete. Schließlich gilt bei den Grünen auch noch die Trennung von Amt und Mandat.

Kühns Co-Vorsitzende Silke Krebs war Mitte Mai als Staatsministerin in die Regierungszentrale gewechselt. Somit war der Posten lange unbesetzt. Im Spätsommer entschieden sich dann die Realos um Krebs und den gut vernetzten Agrarminister Alexander Bonde für die 42-jährige Walker. „Ich bin gefragt worden“, erzählt sie. Nun muss Walker den berühmten Sprung ins kalte Wasser wagen.

Walker ist seit 2008 bei den Grünen

Die Mutter von zwei Jungs (11 und 13 Jahre) ist erst seit 2008 bei den Grünen, 2009 wurde sie nach der Kommunalwahl Stadträtin in der Landeshauptstadt. Ihre späte Berufung habe nichts zu sagen, meint die selbstbewusste Blondine. „Grüne Politik hat mich immer begleitet.“

Walker ist seit 2008 bei den Grünen

Die Mutter von zwei Jungs (11 und 13 Jahre) ist erst seit 2008 bei den Grünen, 2009 wurde sie nach der Kommunalwahl Stadträtin in der Landeshauptstadt. Ihre späte Berufung habe nichts zu sagen, meint die selbstbewusste Blondine. „Grüne Politik hat mich immer begleitet.“

Geboren ist sie im Münsterland, aufgewachsen in Recklinghausen im Ruhrpott. Studiert hat Walker in Tübingen Geschichte und Amerikanistik. Sie organisierte Ausstellungen im Stuttgarter Haus der Geschichte und bildete sich weiter zur Naturpädagogin. Für Greenpeace produzierte sie Radiobeiträge und ging dann als Pressereferentin zum Bund der Freien Waldorfschulen. Nun gibt sie Kurse in Naturpädagogik und bringt angehenden Sozialpädagogen bei, wie man Kindern ein besseres Gefühl für die Umwelt gibt.

Obwohl Walker für den Realo-Flügel antritt, sieht sie sich nicht als waschechte „Reala“. Zwar sei sie als Stadträtin sehr stark pragmatisch orientiert. „Ich will vor allem ausgleichend und integrierend wirken.“ Für die fast 1000 Neumitglieder spielten die Parteiflügel ohnehin keine Rolle.

Ihren Beruf als Naturpädagogin muss sie nun erstmal an den Nagel hängen, denn die Stelle der Parteivorsitzenden ist neuerdings ein Fulltime-Job. Walker bekommt jetzt nach ihrer Wahl auch einen eigenen Referenten an ihre Seite. Auf diese Weise sollen die Vorsitzenden besser mit den grünen Kabinettsmitgliedern mithalten können.

Umstellen muss sich auch Chris Kühn. Früher konnte er sich dem Schwerpunkt Umwelt widmen, während Krebs eher die Sozialpolitik beackerte. Für Walker ist der Naturschutz allein von Berufs wegen Herzenssache.

Kühn, der Mann aus dem Tübinger Talentschuppen

Der junge Mann mit dem markanten schwarzen Bart kommt aus dem Tübinger Talentschuppen des Parteilinken Winfried Hermann. Sein einstiger politischer Ziehvater ist mittlerweile Verkehrsminister im Land. Der überraschende Triumph der Grünen bei der Landtagswahl hat auch Kühn stärker ins Rampenlicht gebracht. Doch anders als seine Co-Vorsitzende Silke Krebs, die als Staatsministerin in die Regierungszentrale wechselte, ging der 32-Jährige leer aus. Juckt ihn das? „Nö. Wie sagt Winfried Kretschmann: Das Amt muss zum Mann kommen.“ Er gehöre definitiv nicht zu den Enttäuschten.

Stattdessen ist Kühn jetzt fast die einzige Konstante in der leergefegten Parteizentrale. Neben Krebs folgten auch die Geschäftsführerin und der Pressesprecher dem Ruf in die Regierung. Kühns knapp zweijährige Lehrzeit als Parteichef ist nun endgültig vorbei. Mit der Stuttgarter Gemeinderätin Thekla Walker (42) hat er eine landespolitische Novizin an seine Seite bekommen. Sein Hauptziel muss es nun sein, die Basis der neuen Regierungspartei weiter zu vergrößern. Kühn erhielt bei seiner Wahl am Samstag in Aalen (Ostalbkreis) 95,7 Prozent Zustimmung - Walker 74,5 Prozent.

Ströbele war lange sein Vorbild

Schon bei den Koalitionsverhandlungen mit der SPD musste der Politologe und Soziologe zeigen, was er zu bieten hat. Unumwunden gibt er zu, dass diese Verantwortung für ihn sehr früh kam. Noch vor kurzem hatte er sich in seiner Magisterarbeit mit dem politischen Prozess beschäftigt, der zur Einführung des Dieselrußfilters in Autos führte. Spätestens da wurde ihm klar, mit welchen Winkelzügen und Drohkulissen in der Politik, aber auch in der Wirtschaft gearbeitet wird.

Dieses Wissen kann er jetzt gut gebrauchen, denn auch zwischen Grünen und SPD geht es zuweilen hoch her. Erst jüngst stand Kühn im Zentrum des Dauerstreits um Stuttgart 21, als er die Mitarbeit seiner Partei im Bündnis „Ja zum Ausstieg“ verkündete. Die SPD-Spitze war sauer, weil Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) ihr kurz vorher die Kooperation mit der CDU untersagt hatte. Apropos Kretschmann: Seit dem Wahlkampf habe er ein „schönes, persönliches Verhältnis“ zu dem 63-Jährigen, erzählt Kühn.

Sein politisches Vorbild war lange Hans-Christian Ströbele, der linke Berliner Querkopf in der Grünen-Bundestagsfraktion. Nun als Kopf der größten Regierungspartei sagt er: „Ich habe kein Vorbild!“ Kühn ist dennoch ein in der Wolle gefärbter linker Grüner. Er engagierte sich in der Naturschutzjugend und war Sprecher des Jugendgemeinderats in Göppingen. 1998 trat er in die Partei ein und arbeitete mehrere Jahre im Wahlkreisbüro des damaligen Bundestagsabgeordneten Hermann. Eine eigene Familie hat er nicht. „Ich bewundere Eltern. Ich komme schon so nicht mit meiner Zeit aus.“