Marcus Schiffer ist Team-Champion im Motocross. Aber die Medien nehmen davon kaum Notiz. Beim Supercross in der Stuttgarter Schleyerhalle beklagt er sich darüber.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Marcus Schiffer hockt auf seinem gelben Bock. Sein Mechaniker montiert den Lenker etwas nach vorne. Schiffer ist mit seiner Suzuki nicht klargekommen, benötigte Zeit, um seinen Rhythmus zu finden. Danach ging es besser. Aber der Weg führte beim Supercross in der Stuttgarter Schleyerhalle am Freitag und am Samstag nicht ins Finale. Macht nix. Er wollte einfach nur etwas Spaß haben, weil seine Outdoor-Saison so glänzend verlaufen war. Ein Mann belohnt sich selbst.

 

Außerdem wollte Marcus Schiffer mal vor großer Kulisse fahren. Dazu kommt es selten. In der Halle sind Motocrossfahrer Stars, doch draußen auf den natürlichen Strecken fahren sie fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit. „Vor allem wenn es regnet und matschig ist, kommen die Leute nicht“, sagt Schiffer – doch in der Halle sei es sauber, kein Dreck, alles bestens. Da schauen die Besucher schon mal in Tanzkursgaloschen vorbei, während beim klassischen Motocrosssport ohne Gummistiefel gar nichts geht.

Nur in Aichwald und Holzgerlingen ist was los

Nur in Aichwald und Holzgerlingen sei das anders. Dort ist immer etwas los, es sind die Ausnahmen. In diesen schwäbischen Hochburgen wird Motocross noch gelebt. Und aus diesen Landstrichen rund um Stuttgart strömen die Zuschauer und füllen die Schleyerhalle – insgesamt 16 150 waren am Freitag und am Samstag gekommen, das ist Rekord. Indoor-Motocross ist die in den USA längst etablierte Showvariante einer Sportart, die ohne Veranstaltungen in Hallen oder in Stadien fast in Vergessenheit gerät. Es ist ein Jammer. Dabei ist Marcus Schiffer in diesem Jahr Mannschaftsweltmeister mit seinen Kollegen Max Nagl und Ken Roczen geworden – und deshalb auch ADAC-Sportler des Jahres. Doch die Frage ist: Wer hat es bemerkt? Niemand.

„Ich darf mich jetzt Weltmeister nennen, das ist der Wahnsinn, aber in den Medien fand darüber nichts statt“, sagt Schiffer. Seine Freundin hatte noch direkt nach dem WM-Erfolg hektisch die Sender RTL und Sat 1 per E-mail informiert, aber die Reaktion war gleich null. Warum? „Wir sind eine Randsportart“, sagt der 25-Jährige. „Da wird eher darüber berichtet, was in der dritten oder die vierten Fußballliga passiert, aber nicht über uns.“

Der Weltmeister, von dem keiner etwas mitkriegt, ist trotzdem stolz auf sich und seine Partner, denn seit 66 Jahren gibt es die Team-WM, doch vor ihnen holte noch keine deutsche Mannschaft den Titel. „Wir haben Geschichte geschrieben“, sagt Schiffer. Es sei zwar nicht so, dass in der Branche nichts getan werde im Hinblick auf die Vermarktung, doch alle Mühen der Verbände und Vereine haben noch nicht dazu geführt, dass ein großer Sponsor angebissen hat. Hat er die falsche Sportart gewählt? „Nein, ich erfülle mir einen Traum“, sagt der Kölner – und seine Augen leuchten.

Platz drei für Dennis Ullrich

Als ihn sein Vater in ein Motorradgeschäft mitnahm, da war es vorbei. Damals noch ein Knirps, setzte er sich auf ein im Schaufenster ausgestelltes Minibike und war nicht mehr von der Maschine zu bekommen. Bis der Vater weich wurde und ihm das Motorrad kaufte. Nach ersten Fahrversuchen auf BMX-Strecken arbeitete er sich hoch. Köln liegt nicht weit weg von Belgien und Holland, wo Motocross eine große Rolle spielt und es deshalb auch ausreichend Trainingsmöglichkeiten gibt. So konnte die Karriere Fahrt aufnehmen.

In der Halle nimmt derweil die Laufbahn seines deutschen Kollegen Dennis Ullrich Fahrt auf. Der KTM-Fahrer führte am Samstag mit sieben Sekunden Vorsprung, verlor aber in der vorletzten Runde die Kontrolle über seine Maschine und landete in der Streckenbegrenzung. Erster wurde Florent Richier. Durch seinen zweiten Platz beim ersten Wettbewerb am Freitag sicherte sich der Franzose auch den Gesamtsieg der Veranstaltung. Ullrich wurde Dritter. Ein Ergebnis, das Marcus Schiffer auch deshalb nicht vergönnt blieb, weil er erst vor wenigen Wochen zwei Schrauben und einen Draht aus dem Hüftgelenk entfernt bekam. Es lag nicht nur am Lenker.