In der Comic-Welt hat eine kleine Truppe Menschen mit unglaublichen Fähigkeiten Anfang der Sechziger die große Marvel-Revolution ausgelöst. Im Kino blieben diese „Fantastic Four“ bislang aber blass. Der Regisseur Joshua Trank will sie nun endlich ganz nach vorne bringen – und scheitert auf seltsame Weise.

Stuttgart - Um jemandem Härte und Unleidlichkeit zu bescheinigen, verwenden die Amerikaner schon mal den Ausdruck Junkyard Dog. So ein Schrottplatzköter ist auch Ben Grimm, der tatsächlich zwischen Autowracks und Kühlschranktrümmern aufwächst. Seine Brüder sind toughe Typen, in der Familie herrscht ein rauer Ton, schnell rutscht mal die Hand aus. Nein, dieser Schrottplatz, der Familienbetrieb, Wohnadresse und Schule des Lebens ist, lädt nicht dazu ein, Ben mal eben zu besuchen.

 

Einer wagt es trotzdem, sogar auf Diebestour. Dabei ist das gar kein schwerer Muskeljunge, sondern einer der Streber aus Bens Schulklasse: Reed Richards. Der klassische Nerd wagt sich in die Höhle der Proleten, weil er Hilfe braucht, Bauteile für sein neuestes Forschungsprojekt.

In einem Superheldenfilm neuerer Schule müsste spätestens jetzt, nachts auf dem Schrottplatz, beim ersten Showdown zwischen Ben und Reed, jener spektakuläre Unfall mit radioaktiven Wundermittelchen oder einer Höllenmaschine passieren, der alles oder jedenfalls die Körper der Helden für immer verändert. Der aus mehr oder weniger fitten Normalos Überwüteriche macht, die sich vom Durchschnittsbürger fürderhin so unterscheiden wie ein Tank voller Raketentreibstoff von einem Häufchen Kopfhautschuppen.

Rein tempomäßig: 80er Jahre

Aber „Fantastic Four“ vom Regisseur und Co-Autor Josh Trank („Chronicle“) ist kein Superheldenfilm neuerer Schule. Darum passiert auf dem Schrottplatz kein Unglück. Ben rückt heraus, was Reed braucht, und der Milieuvernarbte schaut dem Träumer zu, wie der aus Altmetall und Firlefanz eine Teleportationsmaschine zu bauen versucht. Eine gewisse Fernwirkung hat der Prototyp durchaus: drückt man den Startknopf, knallt nicht nur die Sicherung im Haus aus der Buchse. In der ganzen Stadt gehen dann sämtliche Lichter aus.

Das ist ein klassischer Gag, und klassisch wird hier erzählt, will heißen, im Spielberg-Modus der siebziger und achtziger Jahre. Anfangs sind wir noch im Kinderzimmer, wo junge Enthusiasten an den belebenden Zündfunkenflug zwischen ihren Visionen und der erstarrten Realität glauben. Dann geht „Fantastic Four“ zwar ein paar Jahre voran, aber Reed als Jungforscher in einem echten Hightechlabor mit mehr oder weniger Gleichgesinnten bleibt die Figur einer anderen Kinoära.

Gummikörper und Steinkoloss

Baff erstaunt sitzt man erst einmal da und muss verdauen, was „Fantastic Four“ wagt. Zugrunde liegt diesem Film ja jener 1961 gestartete Comictitel, mit dem der Redakteur Stan Lee beim Verlag Marvel die große Verjüngung, Charaktervertiefung und Konfliktaufheizung im Superheldenkosmos begann. Die Helden Reed Richards (Miles Teller), Ben Grimm (Jamie Bell), Johnny Storm (Michael B. Jordan) und Sue Storm (Kate Mara) sind alte Bekannte, aber der Film tut so, als könnten wir noch gar nicht ahnen, was ihnen widerfahren wird.

Kämpfe ohne Spektakelwert

So konsequent ruhig erzählt er die Vorgeschichte und setzt auf unser Vergnügen am Herumexperimentieren der Jungforscher, dass man sich den Unfall, aus dem Reed als Gummikörper, Sue als unsichtbare Frau, Johnny als menschliche Fackel und Ben als Steinkoloss hervorgehen werden, fast als Höhepunkt in den letzten Minuten denken könnte, als dreisten Cliffhanger hin zum Folgefilm.

Das wagen die Produzenten dann doch nicht. In der letzten halben Stunde gibt es doch noch die erwartbaren Kämpfe des Superheldenkinos, nur viel weniger spektakulär inszeniert als heute üblich. Zugleich vernachlässigt der Film die Gruppendynamik, die den Comic so revolutionär machte, er interessiert sich für die Psychologie der Figuren nach ihrer stressigen Verwandlung absurderweise weniger als zuvor.

Kein Weg zurück

Mit dem jämmerlichen Ende setzt er sich dann vollends zwischen alle Stühle: wer den Anfang mochte, wird nun enttäuscht, wer Bombastkino sucht, noch immer nicht bedient.

In den USA ist „Fantastic Four“ schwach gestartet und wird wohl floppen. Die Kritik dort hasst ihn. Und doch kann man gerührt zur Kenntnis nehmen, dass sich hier Filmemacher – wie in „Pixels“ – nach einer anderen Kinowelt zurücksehnen. Ausgerechnet auf Grundlage eines Comics, der seinen verwandelten Figuren dauernd sagt: Es gibt keinen Weg zurück.

Fantastic Four. USA 2015. Regie: Joshua Trank. Mit Miles Teller, Jamie Bell, Michael B. Jordan, Kate Mara, Toby Kebell, Tim Blake Nelson. 101 Minuten. Ab 12 Jahren.