Bürgermeister Sven Müller ist seit 100 Tagen im Amt. Im Interview sagt er, sein Start hätte nicht besser sein können. Wichtige Themen für die nächste Zeit werden die Gartenschau, aber auch die Integration der Flüchtlinge oder Sanierungsrückstände sein.

Winterbach - Am 19. September hat Sven Müller das Amt des Winterbacher Bürgermeisters übernommen. Eine Schonzeit gab es in den ersten 100 Tagen für den 41-Jährigen nicht: Flüchtlingsarbeit, interkommunale Gartenschau, Haushaltskonsolidierung und viele andere Themen standen bereits auf der Agenda.

 
Herr Müller, Sie sind seit 100 Tagen im Amt. Fühlt sich das auch nach 100 Tagen an oder eher schon nach 1000?
Im Gegenteil: Es fühlt sich nach weniger an. Die Zeit ist so schnell verflogen, ich weiß gar nicht, wo sie geblieben ist.
Dann gab es vermutlich kein langsames Hineinwachsen in Ihr Amt?
Nein, der Anfang war sehr turbulent. Allerdings hatte ich es mir sogar noch turbulenter vorgestellt. Es gab tatsächlich Zeit für die Familie.
Sie waren zuvor Hauptamtsleiter in Remshalden. Was sind denn die größten Unterschiede zu Ihrer vorherigen Stelle?
Eigentlich gibt es drei große Unterschiede: Ich bin jetzt Vorgesetzter von 130 Mitarbeitern, Leiter des Gemeinderats und ich habe viele repräsentative Aufgaben. Davon abgesehen ist es erschreckend, wie ähnlich der Tagesablauf ist. Von daher war meine Stelle als Hauptamtsleiter eine sehr gute Schule, ich bin gut vorbereitet worden.
Um welches Thema mussten Sie sich denn als Erstes kümmern?
Gleich in meiner ersten Gemeinderatssitzung mussten wir eine Personalentscheidung treffen: Ob wir einen Flüchtlingsbeauftragten einstellen, den wir uns mit Remshalden teilen. Ich habe mich davor zwar kurz mit dem Ältestenrat und den Fraktionsvorsitzenden abgestimmt, aber es musste sehr schnell gehen. Ich bin aber froh, dass es gelungen ist, denn so konnte ich gleich ein Wahlversprechen einlösen, nämlich mich um die Flüchtlingsarbeit zu kümmern. Das sollte auf jeden Fall zu meinem 100-Tage-Programm gehören.
Und was wollten Sie in dieser Zeit noch angehen?
Die Haushaltskonsolidierung. Winterbach ist in eine finanzielle Schieflage geraten. Auch bei uns steht eine große Schulsanierung an. Das Rektoratsgebäude der Lehenbachschule wird für 5,5 Millionen Euro runderneuert. Dadurch, dass wir den Verkauf der Pflegeheimgebäude an die Awo beschlossen haben, ist uns ein gewisser Befreiungsschlag in Form von vier Millionen Euro gelungen. Das war natürlich schon vom Kämmerer alles vorbereitet, aber wir haben das dann alles in einer Klausurtagung durchgesprochen und letztendlich auch so beschlossen.
Ein eher zartes Pflänzchen in Winterbach ist noch die Gartenschau. Was wollen Sie tun, um diese zum Blühen zu bringen?
Wir haben im Gemeinderat beschlossen, dass wir im März eine Informationsveranstaltung durchführen möchten, wo wir Mitmachprojekte für Bürger vorstellen wollen. Das soll für mich persönlich der Startschuss zur Gartenschau in Winterbach werden, denn ich möchte schon meine eigenen Visionen einbringen. Wir haben zwar viel Zeit verloren, deswegen wird eine umfassende Bürgerbeteiligung leider nicht mehr möglich sein, aber ich kenne die Bürgerschaft in Winterbach mittlerweile ganz gut und bin deswegen guter Hoffnung, dass wir trotzdem einige tolle Ideen verwirklich können.
Was ist denn eine solche Vision?
Ich könnte mir einen interkulturellen Garten vorstellen. Ich würde gerne die unterschiedlichen Nationalitäten, aber auch Charaktere von Winterbach zusammenbringen.
Im Zuge der Gartenschau kam auch immer wieder die Remsrenaturierung zur Sprache. Wie ist denn der aktuelle Stand der Dinge?
Eine neue Information war für mich, dass sich die Gartenschau GmbH auch eine Remsrenaturierung vorstellen kann, die erst im Bau befindlich ist. Das war bisher nicht klar. Wir werden weiterhin alle notwendigen Schritte weiterverfolgen. Dann werden wir das Thema wieder auf die Tagesordnung setzen, wenn es um die Haushaltsberatungen für das Jahr 2018 geht.
Was werden denn in den nächsten 100 oder 1000 Tage die Herausforderungen für Winterbach sein?
Der Fokus wird ganz klar auf der Gartenschau und auf den Heimattagen liegen. Die Sanierung der Lehenbachschule werden wir im August abschließen können, und in den nächsten Jahren werden uns auch Instandhaltungs- und Sanierungsrückstände stark beschäftigen.
Und darüber hinaus?
Auf jeden Fall wird uns das Thema Flüchtlinge weiter beschäftigen. Wir wollen uns Anfang des Jahres mit dem Landratsamt zusammensetzen, um über das Thema Anschlussunterbringung zu reden. Ziel ist es, dass die Menschen, die seit zwei Jahren in Winterbach leben, auch hier bleiben können. Auch wird es im Januar den ersten Runden Tisch der Integration geben, bei dem wir uns mit allen Beteiligten überlegen wollen, wie Integration in Winterbach bestmöglich gelingen kann. Eine Herausforderung wird auch der soziale Wohnungsbau werden. Dieses Thema wollen wir ganzheitlich angehen. Deswegen bewerten wir gerade unsere gesamten Liegenschaften.
Apropos Wohnen: Sie selbst leben bisher in Urbach und haben auch angekündigt, dort erst einmal bleiben zu wollen. Wie kommt das bei den Bürgern an?
Da ich das im Wahlkampf klar formuliert habe, bin ich bisher von der Bürgerschaft selten darauf angesprochen worden. Und Urbach ist ja auch nicht weit weg, ich bin trotzdem greifbar. Ganz davon abgesehen, ist es derzeit generell äußerst schwierig, in Winterbach etwas zu finden.
Wie haben Sie denn Winterbach mittlerweile kennengelernt?
Ich bin im Remstal aufgewachsen und habe schon immer gedacht, dass Winterbach eine Perle ist. Und das bestätigt sich, je intensiver ich den Ort und die Menschen kennenlerne. Schwaben sind ja eigentlich zurückhaltend, aber die Winterbacher haben mich sehr herzlich aufgenommen. Und der Zusammenhalt hier ist beeindruckend.
Hatten Sie also einen guten Start?
Ich habe einen super Start in Winterbach erwischt. Ich fühle mich pudelwohl, und auch wenn es vielleicht etwas pathetisch klingt: Beruflich war es für mich noch nie so erfüllend. Natürlich habe ich lange Tage, aber es gibt regelmäßig Momente, bei denen ich viel zurück bekomme. Ein Beispiel war die Sportlerehrung: Wenn ich sehe, wie eine sechsjährige Sportlerin strahlt und stolz auf sich ist, weil ich ihr eine Medaille und Urkunde gebe, dann gibt mir das unheimlich viel zurück. Das ist Motivation für die Zukunft.