Die syrisch-orthodoxe Kirchengemeinde darf in ihrer Kirche in einem Industriegebiet künftig ihre Priester bestatten. Mit diesem Urteil hat der Verwaltungsgerichtshof am Mittwoch einen elf Jahre währenden Rechtsstreit beendet – voraussichtlich.

Kirchardt - Gerd Kreiter hat die Auseinandersetzung von seinem Vorgänger geerbt. Dennoch: „Wenn man in mehr als zehn Jahren in sechs Instanzen Recht bekommen hat, ist man natürlich enttäuscht, wenn man nun verliert“, sagt der Bürgermeister von Kirchardt (Kreis Heilbronn). Doch weil das Bundesverfassungsgericht im Mai diesen Jahres geurteilt hatte, die Ablehnung einer Krypta in der syrisch-orthodoxen Kirche Mor Gabriel im Kirchardter Industriegebiet verletze die grundgesetzlich geschützte Religionsfreiheit, „hat der Verwaltungsgerichtshof wohl keine andere Möglichkeit mehr gesehen, als die Krypta zu genehmigen“.

 

Die syrisch-orthodoxe Gemeinde, die in Kirchardt etwa 600 Mitglieder hat, baute 1994 im Industriegebiet des 5700 Einwohner zählenden Ortes die Kirche Mor Gabriel. Schon damals habe der Bauantrag auch eine unterirdische Krypta für die Bestattung der Priester umfasst, sagt Kreiter. Weil die Verwaltung signalisierte, dass man eine Begräbnisstätte an der Stelle ablehne, sei die Krypta aus dem Bauantrag gestrichen und durch einen unterirdischen Lagerraum ersetzt worden. 2005 beantragte die syrisch-orthodoxe Gemeinde erneut den Bau einer Krypta mit zehn Plätzen– und hatte bisher durch alle Gerichtsinstanzen hindurch den Kürzeren gezogen.

Verfassungsbeschwerde war erfolgreich

Im Mai allerdings waren die Gläubigen mit ihrer Verfassungsbeschwerde erfolgreich. Die Karlsruher Verfassungsrichter verwiesen die Klage an ihre Mannheimer Kollegen zurück. Am Mittwoch urteilte der Verwaltungsgerichtshof: Die Krypta solle in einer in dem Industriegebiet bereits bestehenden Kirche errichtet werden; das Vorhaben falle unter die Glaubens- und Gewissensfreiheit. Nennenswerte Auswirkungen auf das Eigentum oder die Berufsfreiheit der Nachbarbetriebe seien nicht zu erwarten. Eine Revision ist nicht zugelassen. Die Kommune kann nur noch eine Nichtzulassungsbeschwerde einreichen, um eventuell eine Revision zu erzwingen.

Anwalt der Kirchengemeinde feiert den Erfolg

Dennoch bleibt der Bürgermeister dabei: Ein Industriegebiet mit lärmenden Gewerbebetrieben – darunter ein großer holzverarbeitender Betrieb – sei für eine Bestattungsstätte für Priester nicht der geeignete Platz. Kreiter befürchtet, dass die Firmen wegen der Totenruhe nurmehr eingeschränkt produzieren können. „Wir werden das Urteil prüfen und entscheiden, ob wir eine Nichtzulassungsbeschwerde einreichen“, sagte Gerd Kreiter. „Aber vielleicht muss man irgendwann auch einmal eine Entscheidung akzeptieren.“

Alles andere als enttäuscht zeigte sich hingegen Alexander Kukk von der Stuttgarter Kanzlei Quaas und Partner. „Gott sei Dank“ habe das lange Verfahren nun ein Ende, sagte der Anwalt der syrisch-orthodoxen Gemeinde erfreut. Die Bedenken der bürgerlichen Gemeinde habe er während des ganzen Verfahrens „nicht einmal im Ansatz“ verstanden. Immerhin seien die Mauern im Untergrund 40 Zentimeter dick, die Nachbarbetriebe alle genehmigt und zulässig: „ Ich sehe nicht, dass diese zusätzliche Restriktionen wegen der Totenruhe befürchten müssen“, sagte Alexander Kukk. „Eher muss man sich Sorgen um die Lebenden machen“ – während der Fastenzeit und der Karwoche etwa, wenn die Syrisch-Orthodoxen in Mor Gabriel jeden Tag Gottesdienste feierten.