Der Tagblattturm in der Stuttgarter Innenstadt wird für 3,5 Millionen Euro saniert. Er war 1928 das erste Sichtbetonhochhaus der Welt und ein äußerst kühner Bau – er war allerdings auch äußerst umstritten.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Heute gilt der 61 Meter hohe Tagblattturm an der Eberhardstraße als herausragendes Kulturdenkmal in Stuttgart, ja als „Wahrzeichen der Stadt und als Ikone der Architektur des 20. Jahrhunderts“, wie Bürgermeister Michael Föll am Montag das Bauwerk rühmte. Das aber war nicht immer so: Vor dem Bau im Jahr 1928 stimmte der Gemeinderat nur mit 33 zu 32 Stimmen für den Turm, und mancher beklagte dann einen „Babylonismus“ oder „Amerikanismus“ in Stuttgart.

 

Das ist lange her. Vor etwa zehn Jahren hat die Stadt Stuttgart, die seit 1979 Eigentümerin des Gebäudekomplexes ist, mit großem finanziellem Einsatz die Fassade saniert, die Elektrik erneuert und eine Brandmeldeanlage eingebaut. Seither habe der Turm den absoluten Segen der Brandschutzbehörden, betonte Föll, zweiter Fluchtweg hin oder her.

Fenster müssen eigens nachgebildet werden

Nun sind die Fenster dran. Das hört sich an wie eine Kleinigkeit, wird die Stadt aber insgesamt 3,5 Millionen Euro kosten. Denn erstens hat der Turm die stolze Zahl von 239 Fenstern, im Ensemble am Fuß sind es weitere 139. Zweitens müssen die Fenster eigens für den Turm nachgebaut werden, denn früher waren dort vor allem Schiebefenster verwendet worden, die es heute gar nicht mehr gibt. Eine Holzmanufaktur hat deshalb einen Prototyp erarbeitet, der jetzt in Kleinserie hergestellt wird. Originale Fenster von 1928 sind fast nicht mehr vorhanden, mit Ausnahme des ersten Stockes. Dort bleiben sie natürlich erhalten und werden saniert.

Die Holzrahmen der neuen Fenster werden in Grau gestrichen, denn diese Farbe hat die Denkmalpflegerin Angelika Reiff als Originalton bestimmt. Zusammen mit der seit 2005 wieder existierenden Beleuchtung soll der Tagblattturm dann wieder zu alter Geltung kommen. Leider ist aber seit einiger Zeit nicht mehr der originale Beton zu sehen – eine der 1928 als sensationell geltenden Eigenschaft des Turmes war ja, dass es sich um das erste Sichtbetonhochhaus der Welt handelte. Um den Beton zu schützen, wurde der Turm aber später verputzt: Damals sei dies der Stand der Technik gewesen, sagte Angelika Reiff; heute würde man versuchen, den Beton sichtbar zu lassen. Der Austausch der Fenster soll im Sommer beginnen und bis Jahresende abgeschlossen sein.

Glücksspirale stockt Hilfen für Denkmalschutz auf

Ermöglicht wird die Sanierung des Tagblattturmes auch durch eine Spende der Denkmalstiftung Baden-Württemberg in Höhe von 100 000 Euro. Dieses Geld stammt aus Mitteln der Glücksspirale. Da wegen der niedrigen Zinsen die Stiftung weniger Fördergeld bewilligen kann, fördert die Toto-Lotto GmbH die Denkmalstiftung zusätzlich. Weitere 500 000 Euro werden durch Mittel aus staatlichen Förderprogrammen finanziert.

Im Tagblattturm hatte von 1928 bis 1944 das „Stuttgarter Neue Tagblatt“ seinen Sitz, von 1945 bis 1976 die Stuttgarter Zeitung.