Running Gag oder unendliche Geschichte: das gastronomische Projekt „Apotheke“ von Suite-212-Gründer Lutz Metzger hatte viele Spitznamen. Jetzt eröffnet die Tagesbar am Eugensplatz tatsächlich nächste Woche – auch dank einer DVD der Stuttgarter Zeitung.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Matthias Greiner ist ein sehr ernsthafter Mensch. Den Leiter des Archivs der Stuttgarter Zeitung bringt so schnell nichts aus der Ruhe, schon gar keine Rechercheanfrage eines Redakteurs. Greiner macht viele Artikel erst möglich mit seiner Fähigkeit, sich durch die Untiefen des StZ-Archivs zu wühlen.

 

Bei der Rechercheanfrage zu diesem Artikel hörte der Autor den Archivar nun zum ersten Mal aus vollem Halse lachen. Der Redakteur hatte im Zusammenhang mit der baldigen Eröffnung eines Gastro-Betriebs am Eugensplatz nach einer DVD gefragt. Greiner lachte nicht, weil der Autor ausnahmsweise zu recherchieren versuchte, sondern wegen der Gastronomie: „Jetzt haben Sie mich erheitert. Da fahre ich jeden Tag daran vorbei. Als ob dieses Teil jemals eröffnen würde!“, sagte Greiner, und lachte weiter.

Von der Suite an der Theo zur Tagesbar Apotheke am Eugensplatz

Und doch, tatsächlich, um es mit Katja Ebstein zu singen: „Wunder gibt es immer wieder.“ Lutz Metzger, in Stuttgart vor allem bekannt wegen der Suite 212 auf der Theodor-Heuss-Straße, die er mit gegründet hatte und die im vergangenen Jahr schließen musste, eröffnet seine Tagesbar Apotheke nach vier Jahren im Laufe der nächsten Woche.

Dass diese gastronomische Variante der Unendlichen Geschichte nun tatsächlich eröffnet, hat auch mit Matthias Greiner zu tun. Genauer gesagt mit den DVDs „Stuttgarter Filmschätze. Bewegende Momente aus privaten Filmarchiven, die 50er und 60er Jahre“, die Greiner aus dem Archiv besorgt hatte.

Ein Standbild aus der StZ-DVD macht das Weiterbauen möglich

Die DVD wurde aus einem ungewöhnlichen Grund gebraucht. Lutz Metzger hatte auf dem Weg zur Eröffnung seiner Apotheke viele Hürden zu nehmen. Als das Baurechtsamt zuletzt aber auf das Zweckentfremdungsverbot verwies, weil Metzger mit seinem gastronomischen Betrieb ehemaligen Wohnraum umwidme, kratzte sich der 44-Jährige dann doch erstaunt am Kopf.

„In der Sache ist das Zweckentfremdungsverbot ja richtig. In diesem Haus war in den vergangenen 40 Jahren im Erdgeschoss aber Gewerbe angesiedelt, da hätte eigentlich das Gewohnheitsrecht gelten müssen“, so Metzger. „Ein Standbild aus der StZ-DVD, die das Gewerbe bereits für die 50er Jahre dokumentiert, hat das Baurechtsamt zusammen mit anderen Indizien schließlich dazu bewogen, in meinem Fall nicht mit dem Zweckentfremdungsverbot das Bauvorhaben zu verhindern.“

„Der Paternoster ist kaputt“: Schon der Start stand unter keinem guten Stern

Neben der StZ-DVD sei das Stadtarchiv sehr hilfreich in dieser Sache gewesen. Und auch das Baurechtsamt will Metzger nicht kritisieren, im Gegenteil, „die haben mich toll unterstützt“. Dass es fast vier Jahre gedauert hat, bis er nun eröffnen kann, sei einer Verkettung verschiedener Faktoren geschuldet.

„Das fing schon an, als ich Anfang 2013 die Originalpläne des Hauses einsehen wollte. Nur auf Basis der Originalpläne kann man einen Bauantrag stellen. Als ich beim Bürgerservice Bauen mein Anliegen vortrug, sagte die Sachbearbeiterin, ,ha, des goht net, der Paternoster isch he’. Ich verstand erst nicht, was die Dame meinte, bis sie mir erklärte, dass der Aktenpaternoster kaputt war, bei dem man auf Knopfdruck die richtige Akte bekommt“, erinnert sich Metzger.

Die Firma, die den Aktenpaternoster repariert, sei zu der Zeit nicht verfügbar gewesen, so seien die ersten zwölf Wochen vergangenen, in denen Metzger nicht an die Akten herankam. Klingt fast ein wenig nach einem Sketch von Loriot, was daran liegen könnte, dass Vicco von Bülow tatsächlich einige Jahre im 3. Stock des „Apotheken“-Hauses gelebt hat.

Zehnmal wollte Metzger aufgeben

Metzgers Freunde hätten ihn bald für einen Märchenonkel gehalten, weil sich der Baustart immer weiter verzögerte. Der Umbau erwies sich als gravierender, als ursprünglich gedacht, unter anderem, weil Metzger Schallschutzmaßnahmen ergreifen musste, um eine WG unter der Apotheke nicht zu stören. Mit der Bauverzögerung stiegen die Umbaukosten, von der Miete ganz zu schweigen, die Metzger seit Oktober 2012 für das Objekt bezahlt. Dem Gastronom ging das Geld aus. Erst mit dem Ende der Suite 212 kam wieder Fahrt auf beim Projekt Apotheke. Dank der Ablöse, die Burger King für die „Mutter alle Lounges“ zahlte, war Metzger finanziell wieder einigermaßen handlungsfähig.

Als es dann tatsächlich mit dem Umbau weiterging, bewies Metzger Selbstironie und beklebte die Scheiben der Apotheke mit Sprüchen wie „Nun, das hätte jetzt ja auch keiner mehr geglaubt“. Metzger sagt, dass er bestimmt zehn Mal daran gedacht hat, aufzugeben. „Das erste Mal ganz ernsthaft, als ich die Gespräche mit potenziellen Interessenten für die Suite geführt habe. Eine Kaffeekette, die bisher noch keinen Standort in Stuttgart hat, hat mir viel Geld für die Apotheke geboten. Mit dem Geld hätte ich dann die Suite durcheinanderwirbeln und an der Theo etwas ganz anderes machen können.“ Soweit kam es aber nicht.

Aus dem dunklen Medikamentenumschlagplatz wurde eine helle Tagesbar

Wer das Objekt nun von innen begutachtet, ist positiv überrascht. „Die meisten kannten nur den Vorraum der Apotheke, ein dunkles Loch“, sagt Metzger. Aus dem holzigen Medikamentenumschlagplatz ist eine grundlegend andere Raumsituation geworden, Metzger hat Wände eingerissen und Sichtachsen geschaffen. Insgesamt verfügt die Apotheke nun über 95 Quadratmeter Gastraumfläche, verteilt auf vier Räume.

Begrüßt wird der Gast durch eine wuchtige Theke, einen Fels, an dem man sich festhalten kann. Jeder Raum wird eine Nuance heller in Grau. Im dritten Raum befindet sich der Lieblingsplatz, ein gigantisches Fenster mit Blick auf einen wunderschönen Torbogen auf der anderen Straßenseite. Das hinterste Zimmer kann in einen Private-Dining-Raum für Geschäftsgespräche verwandelt werden. Inhaltlich liegt der Fokus auf Frühstück, Mittagstisch und einem Aperitivo-Angebot, das ähnlich wie in Norditalien die Lücke zwischen dem Nachmittagskaffee und dem eigentlichen Abendessen schließen soll.

Für nächstes Jahr hat Metzger große Träume: Zum einen würde er gerne Loriot-Lesungen veranstalten. Zum anderen würde er gerne den Eugensplatz bewirten, um einen der schönsten Plätze der Stadt noch ein Stückchen lebenswerter zu machen. Dagegen dürfte auch Matthias Greiner nichts einzuwenden haben. Bei einem Zwischenstopp auf dem Weg zur Arbeit könnte der StZ-Archivar dann das Werk bestaunen, an dessen Fertigstellung er auch einen kleinen Anteil hat.