Freude, Wut, Scham, Verlegenheit: Manche Gefühle lassen sich nicht verbergen. Wenn Wangen und Stirn hellrosa bis tomatenrot leuchten, hilft eben auch die beste Schminke nichts. In „Blush“, dem furiosen Stück des New Yorker Ensembles „Gallim Dance“, setzen sich sechs Tänzerinnen und Tänzer auf genuine Weise mit dem völligen Kontrollverlust über den eigenen Körper auseinander.

 

Erinnerung an einen Boxring

Im ersten Bild, einem atemberaubend schönen Herrensolo, ist diese Kontrolle noch vorhanden. Im Inneren eines mit weißem Klebeband auf dem Bühnenboden abgegrenzten Quadrats, das entfernt an einen Boxring erinnert, steht der hünenhafte Tänzer einsam und verloren. Zur organischen Melodie einer Akustikgitarre, unterlegt mit knarzigen Breakbeats, bewegt er sich wie ein Zwitterwesen aus Insekt und Roboter. Kantig ausgeführte Isolationen von Schultern, Händen und Nacken verlaufen immer fließender, ein ständiger Wechsel von Innehalten und Sich-gehen-Lassen. Es geht um die Sehnsucht nach einem Partner, mit dem man sich austauschen, messen und verbünden kann, aber auch um die Furcht, sich vor dem anderen zu entblößen. Unberechtigt ist diese Sorge jedenfalls nicht, denn die Begegnung zwischen drei Frauen und drei Männern im zweiten Bild verläuft nicht gerade harmonisch.

Mit ihren weiß getünchten Körpern und den schwarzen Kostümfetzen, die sie am Leib tragen, wirken diese Gestalten fast geisterhaft, ihre Bewegungen spinnenartig tastend, manchmal bis ins Extrem verlangsamt. Der Charakter der Choreografie von Andrea Miller ist vollkommen eigenständig und lässt sich nur schwer mit bekannten Stilrichtungen vergleichen. Die eigentümliche Ästhetik schwankt zwischen aggressiver Wildheit und artifizieller Strenge. Andrea Miller inszeniert zum Beispiel erbitterte Auseinandersetzungen, in denen sich zwei Tänzerinnen im Kreis umzingeln, sich gegenseitig an die Gurgel gehen, dann aber in einer synchronen Sequenz zueinanderfinden. Vor allem die beiden Bilder über die Liebe und die Freude bleiben lange im Gedächtnis haften. Zu Arvo Pärts „Fratres“ rangeln zwei Tänzer miteinander, kämpfen um Unabhängigkeit, kommen sich aber doch immer näher, bis sie, völlig miteinander vertraut, ihre Körper aneinander pressen.

Wenn sich das Ensemble dann zur überschwänglich optimistischen Hymne „I´ll believe in anything“ der Band Wolf Parade austobt, wird klar, wie gut es tut, alle Hemmungen fahren zu lassen. Rot zu werden, ist nämlich gar nicht so schlimm.