Nach der Gewerkschaftsdrohung mit einem Arbeitskampf ist den Tarifparteien der Chemieindustrie in Stuttgart der Durchbruch gelungen. Allerdings könnte der ruppige Umgang auch künftig das Bild prägen, fürchtet Matthias Schiermeyer.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Jahrzehnte lang hat die Chemiegewerkschaft ein relativ bequemes Dasein geführt. In der Tarifpolitik, die vor allem auf die großen Belegschaften abzielt, musste sie sich vornehmlich mit den wichtigen Konzernchefs gut stellen. Für ihre Lohnforderungen bundesweit Mitglieder auf die Straße zu rufen, Warnstreiks anzuzetteln oder einen Arbeitskampf vorzubereiten, das hatte sie nicht nötig. Hohe Gehaltssprünge vermochte sie ohne besonderen Aufwand auszuhandeln – wissend, dass die Vorreiter der Chemieindustrie die Mehrkosten dank ihrer Exporterfolge fast mühelos meistern konnten. Und wenn mal ein Unternehmen in die roten Zahlen rutschte, erhielt es tarifliche Erleichterungen, die die Gewerkschaft ohne großes Aufsehen zu gewähren bereit war.

 

Kein Konsens um jeden Preis

Der altbekannte Pragmatismus wurde nun in Frage gestellt. Diesmal drängten etliche Mitglieder des Arbeitgeberverbands, die dem steilen Lohnanstieg bislang zugesehen hatten, frühzeitig zur Mäßigung. Und anders als der vorherige Verbandschef will oder kann die jetzige Präsidentin Margret Suckale die Differenzen nicht mehr still begradigen. So gab es erstmals richtig Krach, und die Gewerkschaft musste erkennen, dass die Gegenseite nicht mehr um jeden Preis zum Konsens neigt – selbst wenn das in Stuttgart vereinbarte Lohnplus von 2,8 Prozent gemessen an der Niedrigstinflation noch sehr ansehnlich erscheint. Die IG Metall kennt den Gegenwind längst – dort erheben die Arbeitgeber ihrerseits massive Forderungen. Mit Erfolg. Obwohl die Kombattanten der Chemiebranche nun beteuern, zur bewährten Sozialpartnerschaft zurückkehren zu wollen, könnte der neue Ton auch künftig das Miteinander bestimmen.