Die Tarifparteien verhandeln wieder, doch der Aufruf zum Streik in den Kitas bleibt. Bei den Eltern liegen die Nerven zunehmend blank. Manche fürchten um ihre Jobs.

Stuttga - Nach fast sechswöchiger Pause haben Verdi und die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) am Montagabend in Berlin die Tarifverhandlungen im Sozial- und Erziehungsdienst fortgesetzt. Gleichwohl hält die Gewerkschaft den Streikaufruf für die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst im Bezirk Stuttgart weiterhin aufrecht: Sofern kein „annehmbares Ergebnis“ vorliege, wird vom 8. Juni an wieder gestreikt – diesmal allerdings unbefristet.

 

Diese Ansage macht vielen Eltern Angst. Das zeigen zahlreiche Rückmeldungen und offene Briefe an die VKA und Verdi, aber auch Anrufe in der Redaktion der Stuttgarter Zeitung. In allen Fällen stellen sich die Eltern hinter die Anliegen der Erzieherinnen. Doch die Solidarität mit ihnen wird schwierig, wenn durch einen unbefristeten Streik und die nicht mehr betreuten Kinder der eigene Job in Gefahr gerät. Der Tenor: „Wir unterstützen euch, aber nicht um jeden Preis.“

Der Spagat zwischen Familie und Beruf gelingt kaum noch

Besonders ungünstig trifft es Eva Maier (Name geändert). Die Elternbeirätin einer Stuttgarter Kita fängt am 8. Juni nach zweijähriger Elternzeit einen Job als Projektleiterin in der Veranstaltungsbranche an. „Ich habe bestimmte Kundentermine, die ich wahrnehmen muss, es geht auch um Akquise. Da muss ich mich nach den Kunden richten“, erklärt sie. Zum Einstieg gleich mal Urlaub nehmen, um die zweijährige Tochter und den fünfjährigen Sohn zu betreuen? Kommt nicht in Frage. Erschwerend kommt hinzu, dass die Kinder aus Altersgründen in unterschiedlichen städtischen Kitas sind, was für Maier das Alternativmodell einer Kita in Elternregie organisatorisch deutlich erschweren würde.

Notfallplatz in einer (fremden) Kita? Sei schwer vorstellbar. „Meine zweijährige Tochter hat fünf bis sechs Wochen Eingewöhnungszeit gebraucht.“ Nachdem die Betreuung dann zwei Wochen lang gut klappte, habe der Streik begonnen. Am Montag springt Maiers Partner mit der Betreuung ein, am Dienstag die Cousine. Doch das habe Grenzen: „Die Kleine kann nicht einfach herumgereicht werden“, so Maier. Und der Große verstehe nicht, weshalb mal Kita sei und mal nicht. Bitter sei, dass die Vorschulkinder nicht auf die Schule vorbereitet würden. Den Erzieherinnen hätten die Eltern mit auf den Weg gegeben, sich für drei statt fünf Streiktage pro Woche stark zu machen.

Ein Kind nässt sich seit Tagen wieder ein

Eine andere Elternbeirätin, selbstständig, alleinerziehend, vierjährige Tochter, berichtet: „Der Streik ist brutal für Eltern und die Kinder. Meine Tochter nässt seit drei Tagen wieder ein – seit sie mitkriegt, dass die Mama Stress damit hat. Kinder haben feine Antennen.“ Aber, so die Elternbeirätin: „Ich weiß keine Lösung, wie ich fünf bis sieben Wochen überbrücken soll.“ Auch viele andere Eltern hätten Ängste wegen des Jobs. „Der Arbeitgeber sagt: Ihr müsst kommen.“ Am Dienstagabend beraten die Stuttgarter Elternbeiräte, wie es weitergehen soll. „Es hilft nur zusammenzuhalten“, so die Alleinerziehende.