Der Tarifabschluss von IG Metall und Arbeitgeberverband rückt beim Verhandlungsmarathon in Sindelfingen näher.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Sindelfingen - Dieser Tarifabschluss ist ohne ein Ringen bis zur völligen Erschöpfung nicht zu haben. Nach dem 18-stündigen Poker von Dienstagmittag bis Mittwochmorgen ist in der zweiten Halbzeit der fünften Verhandlungsrunde bis tief in die Nacht zu Samstag gefeilscht worden. Das zähe Prozedere in Sindelfingen hat einen Nebeneffekt: So demonstrieren die Unterhändler den eigenen Gefolgsleuten, dass sie alles versuchen, auf friedlichem Wege einen Konsens zu erwirken.

 

Mit unterschiedlichen Einschätzungen haben Metallarbeitgeber und die Gewerkschaft am Mittag die Verhandlungen fortgesetzt. Die eine Seite erzeugt Druck, indem sie die Fortschritte betont – die andere will ein Einlenken erzwingen, indem sie die Unterschiede herausstellt. Er gehe mit dem festen Willen zur Einigung in die Gespräche, sagt Südwestmetall-Chef Rainer Dulger vor der Wiederaufnahme des Tarifpokers. In vielen wesentlichen Fragen sei bei den qualitativen Themen unbefristete Übernahme von Auszubildenden und Mitbestimmung bei der Zeitarbeit eine substanzielle Annäherung erreicht worden.

Sein Pendant, der IG-Metall-Verhandlungsführer Jörg Hofmann, tritt auf die Bremse. „Wir sind in einigen Punkten etwas näher gekommen, gerade bei der Frage der Übernahme von Ausgebildeten“, stimmt der Bezirkschef zu. „Wir sind aber in einem Kernpunkt, der uns sehr berührt, wie und in welchem Umfang Leiharbeiter in Betrieben eingesetzt werden, noch meilenweit auseinander.“

Uneins über Regelung für Dualstudierende

Anschließend verhaken sich die Kontrahenten am Verhandlungstisch zunächst bei einem Detail: der Übernahme von Absolventen der Dualstudiengänge. 30 000 junge Menschen in Baden-Württemberg kombinieren Universität und betriebliche Ausbildung – mit wachsender Tendenz. 12 000 von ihnen gehören zur Metallindustrie, wo sie die 40 000 gewerblichen Azubis ergänzen. Eine solche Größenordnung will die Gewerkschaft nicht vernachlässigen. Die Dualstudierenden seien ein Teil der Belegschaft, betont sie – während die Arbeitgeber deren generell unbefristete Übernahme zunächst verweigern, weil sie sich für die Gruppe tariflich nicht zuständig sehen.

Wie erwartet, lässt sich an das Thema Leiharbeit später nur schwer ein Haken machen. Ungeachtet der von beiden Seiten positiv bewerteten Vorarbeit der Expertenkommission sind insbesondere im Arbeitgeberlager neue Vorbehalte gegen mehr Mitsprache der IG Metall aufgetaucht. Über das Entgelt wird erst am Schluss verhandelt. Hinter vorgehaltener Hand ist zu vernehmen, dass die Arbeitgeber der IG Metall schon vor der fünften Runde Modelle mit deutlichen Gehaltssteigerungen skizziert hätten. In jedem Fall ist für den Tarifabschluss alles vorbereitet; sämtliche Entscheider halten sich in der Nähe auf. Die Hauptverantwortlichen sind ohnehin vor Ort: IG-Metall-Chef Berthold Huber und Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser hatten schon in der Nacht zu Mittwoch unter vier Augen versucht, Gräben zu überbrücken. Er sei immer optimistisch, sagt Huber nun lakonisch.

Trumpf-Chefin warnt vor den Folgen eines Streiks

Wie brisant die Situation ist, erläutert die Trumpf-Chefin Nicola Leibinger-Kammüller. In einem Interview warnt sie vor einem Streik, der die Unternehmen sehr treffen würde. „Am 30. Juni endet unser Geschäftsjahr, wir müssen jetzt dringend ausliefern“, sagte sie der „FAZ“. „Ein Streik – das wäre nix, und das wissen auch unsere Mitarbeiter.“ Beim Gehalt werde man sich einigen, meint die Trumpf-Chefin. Die Tarifparteien seien in den letzten Jahren zurückhaltend gewesen. „Dass die Beschäftigten jetzt etwas mehr haben wollen, kann ich nachvollziehen.“ Dass auch eine Pflicht zur Azubi-Übernahme vereinbart werde, glaube sie nicht. Vielmehr werde sich die IG Metall am Thema Leiharbeit festbeißen. Es dürfe jedoch nicht so weit kommen, dass der Betriebsrat mitbestimmen dürfe, wie viele Leiharbeiter die Firmen benötigen.

Wenn sie sich da mal nicht täuscht. Sollte die Gewerkschaft tatsächlich keine handfesten Zugeständnisse der Arbeitgeber erreichen, käme sie in große Erklärungsnot. Die massive Warnstreikwelle seit Anfang Mai basiert vor allem auf den Forderungen für die Azubis und Zeitarbeiter.