Eine Doppelfolge mit Til Schweiger als schießwütigem Kriminalhauptkommissar Nick Tschiller ist vorbei. Wie war’s? Durchaus sehenswert, meint StZ-Fernsehkritikerin Ulla Hanselmann.

Kultur: Ulla Hanselmann (uh)

Hamburg - Bulle oder Rächer? Was ist er nun, dieser Nick Tschiller, dem eine Kugel aus der Pistole seines Erzfeindes Firat Astan (Erdal Yildiz) im „Großen Schmerz“ die Ex-Frau genommen hat? Das weiß man im zweiten Teil des Tschiller-„Tatort“-Doppelschlags zu Jahresbeginn nahezu die gesamten neunzig Minuten nicht, woraus die Folge „Fegefeuer“ ihre handwerklich einwandfrei gemachte Hochspannung bezieht. Auch der kurdische Clanboss Astan selbst wüsste das ganz gern, denn Tschiller hat ihn sich geschnappt – und hat damit das, was auch die tschetschenischen Terroristen gerne hätten, die das Fernsehstudio der „Tagesschau“ stürmen und die gesamte Redaktion in Geiselhaft nehmen – inklusive Judith Rakers - und die „Übergabe ihres Bruders Firat Astan“ fordern.

 

Das kommt nur auf den ersten Blick originell daher; tatsächlich bringt sich das Fernsehen in letzter Zeit ein bisschen allzu häufig im Fernsehen selbst ins Spiel, zuletzt bis in letzter Konsequenz beim HR-„Tatort“ mit Ulrich Tukur, „Was bin ich?, da darf man sich nicht wundern, wenn beim Rezipient Ermüdungserscheinungen auftreten.

Clevere Dramaturgie

Trotzdem: die Dramaturgie von „Fegefeuer“ ist clever; der Autor Christoph Darnstädt und der Regisseur Christian Alvart geben den Zuschauern jede Menge Rätsel auf, die sie bei der Stange halten: Wie hängen Astan und die sich als Russen entpuppenden Tschetschenen zusammen? Was hat dies mit Hamburg und dem Hafen zu tun? Und welche Rolle spielt der koksende Innensenator Revenbrook (Arnd Klawitter)? Gekonnt switchen sie mit schnellen Schnitten und Cliffhangern zwischen den verschiedenen Schauplätzen und Figuren hin und her – von den Geiselnehmern im ARD-Studio zu Tschiller und Astan, die aneinander gekettet im nächtlichen Hamburg unterwegs sind, und zur LKA-Zentrale mit Yalcin Gümer (Fahri Yardim) und Ines Kallwey (Britta Hammelstein); Steinchen für Steinchen setzt sich so das Mosaik um den großen korrupten Hafendeal und Astans Rolle darin zusammen, und Nick Tschiller ist es, der dabei, selbstredend, die Nase immer ein bisschen vorn hat.

Das Unheil nimmt seinen Lauf

Seine Fäuste fliegen, seine Bazooka reißt Mauern nieder, sein Auto rast durchs nächtliche Hamburg, wer sich ihm in den Weg stellt, wird umgeballert, – Gefühle muss Til Schweiger diesmal keine zeigen; sein Glück. Wenn Tschiller im Alleingang ist, kann ihn niemand aufhalten, auch nicht sein Kumpel Gümer, der darf ihn zwischendurch nur mal feste drücken. Dessen Rolle fällt diesmal wieder weniger clownesk aus, was gut so ist, ebenso stark: Britta Hammelstein als LKA-Kollegin, die den Mumm hat, mit dem „Kinderficker“ Revenbrook Klartext zu reden.

Auch dass Darnstädt Tschillers Tochter Lenny (Luna Schweiger) gleich zu Beginn im Krankenhaus zurücklässt, rechnet man ihm hoch an. Beunruhigend hingegen die Schluss-Szene: Da sieht man, wie Tschiller, nachdem er sich, trotz mehrmaliger Gelegenheit, eben doch als Bulle und nicht als Rächer erwiesen und Astan an die Polizei ausgeliefert hat, dem Töchterchen Schießunterricht gibt. Wie der Vater so die Tochter – die Spur fürs Kinofinale dieser Tschiller-Trilogie ist gelegt, und man ahnt: Das Unheil nimmt seinen Lauf.