Der „Tatort“ als Bühne für eine cineastische Zitier-Orgie, die zugleich abgründig schräg inszeniert ist - und doch kontrolliert.    

 

Wiesbaden -  Erlaubt ist, was Spaß macht – unter diesem Motto sprengt der „Tatort“ schon seit Jahren das Genre des Kriminalfilms. Aus der Mördersuche wird gerne mal eine Pointenkomödie, vor allem in Münster, wo Axel Prahl und Jan Josef Liefers absurde Verbrechen mit noch absurderem Humor überziehen. Das kennt man. Was man aber noch nicht kennt, ist der „Tatort“ als Bühne für eine cineastische Zitier-Orgie, die zweierlei zugleich ist: abgründig schräg inszeniert und doch, bei allem augenzwinkernden Übermut, noch so unter Kontrolle gehalten, dass sie Hinweise zur Aufklärung eines Mordfalls im Taunus geben kann. Heraus kommt dann eine wahre Pracht im Retrolook: „Das Dorf“ mit Ulrich Tukur als LKA-Mann Felix Murot.

Schüttelt man den Nachnamen leicht durch, wird aus Murot Tumor. Genau dieser Hirntumor ist es, der den Kommissar auch in seinem zweiten Fall, in dem es um Organhandel geht, zu äffen versucht. Und bei diesen Äffereien gehen der Regisseur Justus von Dohnányi und sein Autor Daniel Nocke in die Vollen. Ohne Rücksicht auf Krimigesetze bebildern sie Murots Halluzinationen mit Musicalszenen im Stil der „Rocky Horror Picture Show“ – witzig, unbekümmert und präzise, wie sie eben auch mit diebischer Freude alte Edgar-Wallace-Filme unverhohlen wieder aufleben lassen. Nichts fehlt, alles ist da in dem sepiabraun kafkaesken Geisterdorf: ein Schloss mit heimlichen Gucklöchern, Spinnennetze in Großaufnahme, Schattenrisse voller Dramatik und, logisch, Klaus Kinski, der von Tobias Langhoff irre gecovert wird.

Zugegeben, die Handlung grenzt ans Hanebüchene – dennoch liefert der Hessische Rundfunk, der auch Król und Kunzendorf ermitteln lässt, derzeit die besten, ambitioniertesten und avanciertesten „Tatorte“ ab. Retro ist eben nur der Look.

Tatort:  Das Dorf (ARD)